Der BND und die verschwundenen Baupläne:Ein jeder raune mit, so gut er kann

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Der Bundesnachrichtendienst hat in seiner Geschichte schon viele Affären hinter sich, aber der Diebstahl von Bauplänen für die neue BND-Zentrale trägt nur mit sehr viel Phantasie Züge eines Skandals. Dennoch gibt die Regierung dem Vorgang eine Bedeutung, die er gar nicht hat.

Hans Leyendecker

Der Kern des Wortes "Geheimnis" ist das Wort "Heim", und schon dies lässt die Vermutung zu, dass äußerste Geheimhaltung beim Bau eines Heims für Nachrichtendienstler als selbstverständlich gilt. Andererseits: Warum sollten die Pläne für den Bau einer Garage, einer Küche, einer Warenannahme und der Heizung im Nordflügel in Berlin eine Art Staatsgeheimnis sein, nur weil sie Teil der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendiensts (BND) sind? Und warum löste der angebliche Verlust dieser Pläne Schockwellen in der Hauptstadt aus?

Regierungsvertreter stufen die Angelegenheit als "ernstzunehmenden Vorgang" ein, aber im Nordbau der künftigen BND-Zentrale, dessen Baupläne jetzt gestohlen wurden, befindet sich kein Lagezentrum, keine IT-Zentrale, nicht einmal ein Besprechungsraum. (Foto: REUTERS)

Der BND hat in seiner Geschichte schon viele Affären fabriziert, und seine Bediensteten haben wenig Gelegenheiten ausgelassen, sich tüchtig zu blamieren. Aber diese Garagennummer taugt nicht einmal für die übliche Häme. Nur ein bisschen Spott ist angemessen.

Irgendjemand hat Baupläne geklaut oder kopiert, Unterlagen, mit denen eigentlich nur Bauleute etwas anfangen können. Diese Pläne waren vom Amt nur als "Verschlusssache" eingestuft, der niedrigsten Geheimhaltungsstufe. Anders gesagt: Selbst aus deren Verlust konnte kein großer Schaden entstehen.

Denn im Nordbau der künftigen BND-Zentrale befindet sich kein Lagezentrum, keine IT-Zentrale, nicht einmal ein ordentlicher Besprechungsraum. Welcher gegnerische Geheimdienst könnte wirklich Nutzen daraus ziehen, wenn er nun weiß, wo die Nachrichtendienstler ihre Autos abstellen? Vielleicht könnte man den BND lahmlegen, wenn im Winter heimlich die Heizung abgedreht würde. Nur wer noch mehr Phantasie als die Geheimen hat, kann in alledem einen richtigen Skandal erkennen.

Das alarmistische Getue der Regierung

Wichtiger als das Getue um den Bruch der Vertraulichkeit ist die Tatsache, dass ein Neubau, der 500 Millionen Euro kosten sollte, am Ende fast 1,5 Milliarden Euro kosten wird. Bemerkenswert ist auch der Umgang der Regierenden mit den ersten Alarmmeldungen nach dem Diebstahl. Das Kanzleramt reagierte besorgt, der Regierungssprecher sprach vage und konkret zugleich von einem "ernstzunehmenden Vorgang". Übersetzt aus der Hauptstadtsprache heißt das: Da ist vermutlich eine Menge dran. Krise!

Solche Floskeln in solchen Zusammenhängen wirken alarmistisch und lassen gleichzeitig Unkenntnis ahnen. Sie erlauben jedermann, sich an Spekulationen zu beteiligen und mitzuraunen: Tritt irgendwer zurück? Vielleicht. Muss der Rohbau nun umgebaut werden? Na ja. Viele Millionen Euro Mehrkosten? Hm.

Journalisten sind nicht zu rügen, wenn sie aus diesem Stoff das Übliche machen. Der Fall "weitet sich aus", melden sie dann gewöhnlich. Immerzu weitet sich etwas aus, bis es dann wieder platzt; oft gibt es in den Medien ein Gerenne um das exklusive Nichts. Aber bei solchen Vorlagen aus dem Apparat dürfen nicht die Überbringer der falschen Botschaft geprügelt werden. Diese Regierenden haben es nur bei Kommunikationsdesastern zur Meisterschaft gebracht. Sie können es einfach nicht.

© SZ vom 13.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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