Der Ämterlotse:Abschreckung ist der falsche Weg

Der Ämterlotse: Reinhard Kastorff, 69, lebt in Moosburg an der Isar. Bei ihm gehen Flüchtlinge ein und aus, der Diplomverwaltungswirt in Rente versteht sich als Ämterlotse.

Reinhard Kastorff, 69, lebt in Moosburg an der Isar. Bei ihm gehen Flüchtlinge ein und aus, der Diplomverwaltungswirt in Rente versteht sich als Ämterlotse.

(Foto: privat)

Reinhard Kastorff war Beamter in diversen Verwaltungen, heute betreut er zahlreiche Flüchtlinge. Er gibt viel, erwartet aber auch einiges von ihnen.

"Die Kanzlerin hat vor zwei Jahren nicht nur 'Wir schaffen das' gesagt. Der Satz geht weiter: '... und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.' Mich ärgert es sehr, dass dieser zweite Teil inzwischen völlig ignoriert wird, von der Politik, aber auch von den Medien und den Behörden. Dabei ist das doch eine klare Ansage, gerade an die Behörden, an die Bürger: Gebt euch Mühe! Wenn es Probleme gibt, lasst euch was einfallen!

Völlig falsch ist, wie wir mit Flüchtlingen umgehen, die abgelehnt wurden, die aber, aus welchen Gründen auch immer, Jahre später noch hier sind: Man versucht sie zu vergrämen, indem man sie schlecht behandelt und ihnen das Arbeiten verbietet. Gerade in Bayern ist das ein beliebtes Instrument der Gängelung. Das funktioniert aber nicht: Sie gehen trotzdem nicht freiwillig heim. Und Abschreckung funktioniert so auch nicht. Einer in Mali oder am Hindukusch überlegt sich doch nicht, bevor er aufbricht nach Deutschland, wie er später mal behandelt wird, und sagt dann: Och, dann bleibe ich lieber daheim.

Wir brauchen eine Altfallregelung für Leute, die schon seit Jahren da sind. Das kann eine Win-Win-Situation werden, für die Gesellschaft und den Flüchtling. Wenn sich einer bewährt hat, soll er eine Chance kriegen. Wenn er einen deutschen Betreuer hat, der ihm einen guten Leumund bescheinigt, wenn er keinen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis hat, wenn ihm der Berufsschullehrer ein gutes Zeugnis ausstellt oder wenn sein Lehrherr zufrieden ist - dann sollte er eine Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht kriegen. Die Kriterien dürfen gerne streng sein, aber wenn sie erfüllt sind, sollten wir die Türen öffnen. Auch zu unserem eigenen Vorteil. Es ist doch Unsinn, im Ausland Pflegekräfte anzuwerben, und umgekehrt Leute, die schon Deutsch können und sich bewährt haben, heimzuschicken. Die Belohnung für die Fleißigen könnte bei den Flüchtlingen, die sich gerne in die Hängematte legen, einen Aha-Effekt auslösen, weil sie sehen: Wenn wir uns anstrengen und uns ordentlich benehmen, dann geht was."

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