Demokratie weltweit:Flüchtige Freiheit

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Aufstände, Militärjunta und Wahlfälschung: Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug. Schuld seien "pragmatische Diktaturen" wie Russland und China, analysiert eine US-Organisation.

Moritz Koch

In Pakistan regiert das Chaos. In Birma hetzt die Militärjunta ihre Truppen auf friedliche Mönche. Und in Kenia ignoriert ein starrsinniger Präsident seine Wahlniederlage. Im vergangenen Jahr hat die Demokratie viele Rückschläge erlebt. Die streitbare US-Organisation Freedom House, die sich der Verbreitung demokratischer Werte verschrieben hat, spricht gar von einer Zeitenwende. Die Freiheit, heißt es in ihrem Jahresbericht, befinde sich global auf dem Rückzug.

Schuld am Rückzug der Demokratie? Chinas Staatschef Hu Jintao zu Besuch in Moskau. (Foto: Foto: dpa)

Freedom House hat alle Staaten der Welt untersucht und deren Demokratisierung danach bemessen, wie frei die Wahlen, wie umfassend das Versammlungsrecht und wie unabhängig Medien und Justiz sind. Demzufolge haben 38 Staaten im Jahr 2007 Freiheitsrechte eingeschränkt, nur zehn bauten sie aus.

Erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten registrierte Freedom House einen Rückgang der Freiheit in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Vor allem in Asien und Afrika steht es schlecht um die Demokratie. Einflussreiche Länder wie Pakistan und Malaysia sowie Kenia und Nigeria nehmen zunehmend autoritäre Züge an.

Hauptverantwortliche für die Schwäche der Demokratie sind Freedom House zufolge die sogenannten "pragmatischen Diktaturen" wie Russland und China, die eine kapitalistische Wirtschaftsordnung mit autoritärer Führung verbinden und versuchen, ihr Staatsmodell zu exportieren.

Arch Puddington, Autor des Berichts, sieht darin eine ernste Bedrohung für den Westen. "Im Kalten Krieg waren repressive Regimes chronisch klamm", sagt er. "Heute schwimmen Russland, Iran und Venezuela in Petrodollars und können sich eine Scheckbuchdiplomatie leisten. Genau wie China, das dank seiner Handelsüberschüsse große Reichtümer angehäuft hat."

Vor allem Russland ist entschlossen, pro-westliche Bewegungen in Staaten der früheren Sowjetunion zu stoppen. Es unterstützt Usbekistans Präsidenten Islam Karimow, dessen Truppen 2005 Hunderte Demonstranten töteten, ebenso wie reaktionäre Kräfte in Georgien. Peking wiederum versorgt Despoten in Afrika im Stillen mit Krediten und steht treu an der Seite der Generäle von Birma. Auf diese Weise haben die pragmatischen Diktaturen daran mitgewirkt, einen Trend aufzuhalten, den manche fast schon zum Naturgesetz erklärt hatten. So schrieb der US-Philosoph Francis Fukuyama, das Streben der Völker nach Freiheit und Wohlstand führe unweigerlich dazu, dass alle Staaten zu Demokratien würden.

Ihm zufolge waren die Unabhängigkeitsbewegungen der Dritten Welt, der Wandel in Osteuropa und der Niedergang der Militärdiktaturen in Lateinamerika und das Ende der Apartheid in Südafrika erst der Anfang einer Demokratisierungswelle, die die ganze Welt erfassen wird. Puddington hingegen warnt, der Glaube an einen automatischen Fortschritt sei naiv: "Nur wenn die USA und Europa sich gemeinsam dem Autoritarismus stellen, wird die Demokratie sich ausbreiten."

Die Arbeit von Freedom House ist allerdings umstritten. Kritiker werfen der Organisation, deren Budget zu 80 Prozent von der amerikanischen Regierung finanziert wird, enge Verbindungen zu neokonservativen Kreisen vor. Republikanische Falken wie Paul Wolfowitz und Donald Rumsfeld zählten zu ihren Unterstützern. Zudem sei ihr Freiheitsverständnis Ausdruck eines westlichen Weltbilds. Puddington verteidigt sich: "Wir sind vollkommen überparteilich. Und wir sind überzeugt, dass die Freiheit kein Privileg des Westens ist."

© SZ vom 21.01.2008/cag/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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