Demokraten:So fremd wie die Wall Street

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Auf der Zielgeraden: Hillary Clinton am Dienstag in Florida. (Foto: Justin Sullivan/AFP)

Hillary Clinton hat Bernie Sanders aus dem Rennen geschlagen. Nun muss sie seine Anhänger überzeugen.

Von Hubert Wetzel

Es hat ein bisschen gedauert, bis Hillary Clinton ihren Rivalen Bernie Sanders abschütteln konnte, aber jetzt scheint es ihr gelungen zu sein. Fünf Vorwahlen fanden am Dienstag statt, in mindestens vier Bundesstaaten siegte Clinton, in einigen Fällen sehr deutlich. Vor allem ihr Erfolg in Ohio war wichtig: Ohio ist einer der wirtschaftlich angeschlagenen Staaten im "Rust Belt", jener amerikanischen Industrieregion im Mittleren Westen, in der einst Stahlhütten und Fabriken Jobs und bescheidenen Wohlstand brachten, die jetzt aber vor sich hinrosten. Vor ein paar Tagen hatte Sanders Clinton in einem ähnlichen Staat überraschend geschlagen, in Michigan. Dies hatte die Zweifel an Clintons Kandidatur wieder einmal aufflackern lassen. Kann Clinton - Frau, Millionärin, Freundin des Freihandels - die gebeutelte, enttäuschte, weiße Arbeiterschicht erreichen? Clintons Sieg in Ohio mit 56 Prozent war eine Antwort.

Sanders wird deswegen nicht aufgeben. Der Senator aus Vermont hat viele treue Anhänger und Spender. Doch die Wahlarithmetik lässt ihm so gut wie keine Chance, Clinton die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten noch wegzunehmen. 4763 Delegierte werden beim Nominierungsparteitag im Juli über den Kandidaten abstimmen. Um zu gewinnen, sind 2382 Stimmen nötig. Clinton hat bei den Vorwahlen inzwischen mehr als die Hälfte dieser Summe zusammengesammelt - sie kann mit 1561 Delegierten rechnen. Sanders hingegen hat nur 800 Delegierte hinter sich. Das ist ein Abstand, den er in den übrigen Vorwahlen praktisch nicht mehr aufholen kann, sofern Clinton nicht etwas zustößt oder sie einen dramatischen politischen Fehler macht.

Allerdings ist das "Sanders-Problem", das Clinton so hartnäckig geplagt hat, weniger eines der Person als eines der politischen Ausrichtung. Sanders vertritt den Teil der Demokraten, der sich von Präsident Barack Obama eine deutlich linkere Politik gewünscht hätte - mehr Sozialprogramme, Steuererhöhungen für Reiche, keine neuen Freihandelsabkommen, ein härteres Vorgehen gegen die Banken. Diese Wähler sehen in Clinton nur eine weitere opportunistische, geldgierige Establishment-Politikerin. Mit keinem Vorwurf konnte Sanders im Wahlkampf Clinton so treffen wie mit dem, sie habe sich von der Wall Street für halbstündige Reden sechsstellige Honorare bezahlen lassen.

Die Heldin des linken Parteiflügels war bis vor einigen Monaten eigentlich Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts. Da diese aber trotz vielfacher Aufforderung nicht gegen Clinton antreten wollte, scharten sich ihre Anhänger um den selbsternannten "demokratischen Sozialisten" Bernie Sanders und bescherten ihm einige erstaunliche Vorwahlsiege.

Ein wesentlicher Teil der Partei fremdelt mit ihr, Clinton wird sich mit diesem Problem auseinandersetzen müssen, auch wenn sie Sanders geschlagen hat. Eine Möglichkeit wäre, einen Vertreter der Linken zum Vizekandidaten zu machen - wenn auch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Sanders selbst. Das wäre ein absonderliches Duo. Allerdings dürfte Clinton im Wahlkampf auf dem Vizeposten jemand nützlicher sein, der zum Beispiel die Latinos besonders anspricht. Irgendeinen Trostpreis wird die Parteilinke aber wohl in den nächsten Monaten bekommen.

Je kleiner Sanders im Rückspiegel wird, desto mehr kann sich Clinton auf den vor ihr liegenden Kampf mit dem republikanischen Kandidaten konzentrieren. Stimmen die derzeitigen Umfragen, würde sie sich gegen Donald Trump am leichtesten tun. Im Umfragendurchschnitt der Internetseite Real Clear Politics liegt sie mit 47,3 zu 41 Prozent vor dem Immobilienunternehmer aus New York. Das ist ein recht komfortabler Vorsprung. Hinzu kommt, dass das Wahlsystem strukturell die Demokraten bevorzugt, da sie aufgrund der Demografie mit mehr Siegen in wichtigen Bundesstaaten rechnen können.

Dennoch wird es sich Clinton nicht leisten können, auf linke Stimmen zu verzichten. Das zeigen andere Umfragen: Im direkten Vergleich mit Ted Cruz führt der Republikaner vor Clinton mit 46,2 zu 45,4 Prozent. Auch das Duell mit Marco Rubio, der aber inzwischen aufgegeben hat, würde Clinton den Erhebungen zufolge mit 44 zu 48 Prozent verlieren. Ein interessanter Nebenaspekt ist, dass Sanders laut diesen Umfragen alle drei Republikaner schlagen würde, Trump und Cruz sogar mit um die zehn Prozentpunkten Abstand.

Linke Positionen sind also gefragt beim Wahlvolk. Trotzdem gibt es - nach jetzigem Stand und gemessen an den Umfragen - offenbar eine Mehrheit von Wählern, die bereit wären, statt Clinton einen konservativen Republikaner zum Präsidenten zu wählen. Trump wird alles daran setzen, diese Mehrheit vollständig für sich an die Urnen zu bekommen; ob das gelingt, ist offen. Doch Clinton wird ihrerseits versuchen müssen, jeden einzelnen Demokraten zu mobilisieren.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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