Degler denkt:Wie gut ist Obama wirklich?

Die ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten waren populär. Und doch wirft seine erwartbare Politik eine wichtige Frage auf.

Dieter Degler

Barack Obama hat die politische Welt verändert. Wie er den Vorwahl- und Wahlkampf führte, welche Alternativen er der Bush-Administration entgegensetzte, wie er in den ersten Tagen in Washington an den Start ging, das hat das nationale und internationale Publikum beeindruckt. Es gibt ihn also doch, so das weit verbreitete Credo, den Gutpolitiker.

Degler denkt: Mittlerweile schon drei Wochen im Amt: US-Präsident Barack Obama

Mittlerweile schon drei Wochen im Amt: US-Präsident Barack Obama

(Foto: Foto: Reuters)

Seit ein paar Tagen irritiert mich aber etwas an diesem rasend schnell populären US-Präsidenten: Es sind nicht die personellen Irrtümer, die ihm bei der Zusammenstellung seines Kabinetts unterlaufen, so etwas kommt vor. Es ist vielmehr die Erwartbarkeit seiner Handlungen.

Obama schließt Guantanamo: Gut. Er schnürt das Rettungspaket für die Wirtschaft: Wahrscheinlich alternativlos. Er stärkt die Rechte von Arbeitnehmern: Auch gut. Er fordert der Automobilindustrie umweltfreundlichere Fahrzeuge ab: Prima. Er kündigt Gespräche mit dem Iran an. Klingt nach einer besseren Zukunft für die US-Außenpolitik.

Das alles sind mehr oder weniger Maßnahmen, die sich zumindest liberale Europäer von einem US-Präsidenten wünschen. Nur: Was macht Obama, wenn die iranische Regierung ihren Atomwaffenkurs weiterhin so störrisch und weltfremd verfolgt, wie es der Auftritt des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani vergangene Woche in München signalisierte. Was macht er, wenn China, mit bald einer Billion Dollar der weltweit größte Kreditgeber der USA, mit dem Verkauf von US-Bonds droht? Und was macht er, wenn die Autobauer nicht hören wollen?

Wie handlungsfähig ist dieser Präsident, wenn etwas nicht nach Plan läuft und ein Konflikt nicht mehr moderiert werden kann, sondern entschieden werden muss?

Es kommt in den Amtszeiten von Regierungschefs häufig zu Prüfungen des Härtegrades eines Amtsinhabers. In Deutschland war das bei Helmut Kohl das sture Durchsetzen von deutscher Einheit und Euro, ohne den Europa heute noch schlechter dastünde - bei Helmut Schmidt die Debatte um den Nato-Doppelbeschluss und der Deutsche Herbst, denen er mit Entscheidungen begegnete, vor denen man nicht stehen möchte. Und in den USA musste John F. Kennedy während der Kubakrise beweisen, dass seine Nerven auch dem Nuklearpoker am Rande eines Weltkrieges standhielten.

Ist Barack Obama konfliktfähig und im Zweifel hart? Seine erste große Bewährungsprobe ist das internationale Wirtschaftsbeben. Es wäre zu wünschen, dass er einmal demonstriert, wie sich jenseits der allgemeinen Erwartungen agieren lässt. Auch gegen eine starke Lobby. Auch gegen den großen Konsens. Und ohne weltweiten Applaus.

Eine gute Gelegenheit dazu hätte er beispielsweise bei der Teilfrage, wie die US-Automobilindustrie zu retten ist. Den drei großen Losern der Branche im Angesicht senkrecht fallender Umsätze und steil steigender Arbeitslosenzahlen die Hilfe zu verweigern, kommt kaum infrage.

Der Messias muss zum Macher werden

Aber statt jedes der drei maroden Auto-Unternehmen mit Milliardenspritzen zu retten und sie weiter über die bröckelnden Weltmärkte zu schleppen, könnte Obama beispielsweise vorschlagen, aus dem ökonomischen Trio infernale General Motors, Ford und Chrysler ein neues, modernes Unternehmen zu formen - das noch einmal mit sparsamen, preiswerten und umweltfreundlichen Produkten gegen die mächtige Konkurrenz aus Europa und Asien antritt.

Das wäre sicher eine extreme Herausforderung. Doch eine solche Lösung wäre tough und kreativ. Sie täte vielen weh und wäre vielleicht doch richtig, weil er die verbleibenden Arbeitsplätze dauerhaft sichern könnte.

Man darf gespannt sein, ob der Messias auch ein Macher ist.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: