Debatte:Wenn es weh tut

Die Abgeordneten aller Fraktionen bemühen sich, besonders nachdenklich, sanft und differenziert aufzutreten. Der Tenor ist: Die Resolution soll keine Klageschrift sein und kein Urteil.

Von Stefan Braun, Berlin

Nein, niemand wird hinterher behaupten können, die Regierungsbank sei verlassen gewesen. Günther Krings ist da, außerdem Dorothee Bär, Jens Spahn, Christian Lange, Elke Ferner und dazu noch ein weiteres Dutzend parlamentarischer Staatssekretäre. Sicher, sie gehören eher zu den fleißigen Bienchen als zu den schweren Gewichten einer Regierung. Aber sie füllen an diesem Morgen die Stühle, damit nicht gar so schnell auffällt, wie viele Minister bei dieser Debatte fehlen. An den Fakten ändert das freilich wenig. Und die besagen: Von den Großen ist keiner da gewesen. Nicht Kanzlerin Angela Merkel, nicht ihr Vize Sigmar Gabriel, nicht Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen oder Finanzminister Wolfgang Schäuble. Da sind Andrea Nahles und Hermann Gröhe. Nichts könnte deutlicher zeigen, wie sehr die Debatte über den Völkermord an den Armeniern, als Akt der Selbstbehauptung des Parlaments gepriesen, an diesem Tag zum Akt eines Wir-sind-dann-mal-weg der Regierung wird. Dabei müssten die Ängstlichen unter den Ministern begeistert sein, wenn sie sehen könnten, wie diplomatisch sich die Abgeordneten präsentieren. Von Rolf Mützenich (SPD) über Gregor Gysi (Linke) und Franz-Josef Jung (CDU) bis zu Cem Özdemir (Grüne) und Hans-Peter Uhl (CSU) - alle haben sich an diesem Tag entschlossen, besonders nachdenklich, sanft und differenziert aufzutreten. Am Ende hilft das im Konflikt mit der türkischen Regierung zwar wenig. Kaum ist die Resolution beschlossen, ruft Ankara aus Protest seinen Botschafter nach Hause. Doch in den 70 Minuten davor erklären alle Redner, dass sie niemanden anklagen möchten.

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