Debatte um Spitzensteuersatz:Lindner fordert Machtwort von Merkel

Doch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes? Die FDP sagt Nein und stellt sich damit auch gegen Stimmen aus der Union. Derweil lästert nun auch noch Sarkozy über Merkels Sparpaket.

Während sich die Forderungen nach einer Anhebung des Spitzensteuersatzes auch in der Union mehren, erteilt die FDP Steuererhöhungen eine klare Absage und fordert eine Stellungnahme der Kanzlerin. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat jetzt von der Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ein Machtwort verlangt. "Die Bundeskanzlerin muss Ordnung in die CDU bringen", sagte Lindner der Rheinischen Post laut Vorabbericht.

Christian Lindner, FDP; dpa

"Ordnung in die CDU": FDP-Generalsekretär Christian Lindner fordert von Kanzlerin Merkel ein Machtwort.

(Foto: dpa)

Lindner wies Forderungen vor allem aus der CDU nach höheren Steuern für Besserverdienende zurück. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte dies gefordert. "In der Wirtschaftskrise verbieten sich Mehrbelastungen, weil sie Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gefährden", sagte Lindner. Sollte die CDU einen höheren Spitzensteuersatz fordern, stelle sie sich eindeutig gegen den Koalitionsvertrag von Union und FDP. "Im Koalitionsvertrag steht: Steuererhöhungen zur Krisenbewältigung kommen nicht in Frage. Daran halten wir uns."

In Union und FDP ist eine Debatte über Änderungen am vorgelegten Sparpaket der Regierung entbrannt. Kernfrage ist, ob die geplanten Einsparungen über 80 Milliarden Euro ausreichen, um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen. Während die FDP vor einer neuen Debatte über Steuererhöhungen warnt, wurden in der CDU Rufe nach einer Anhebung der verminderten Mehrwertsteuer- und der Einkommenssteuersätze laut.

Die Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 45 Prozent hat etwa der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, gefordert. Dass Spitzenverdiener stärker für die Sanierung des Bundeshaushalts herangezogen werden, verlangten aber auch andere CDU-Politiker wie Saarlands Ministerpräsident Peter Müller und Vertreter des Arbeitnehmerflügels der Partei.

Selbst in der FDP wurden Rufe nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes laut. "Wir brauchen eine Erhöhung dieses Satzes auf 47,5 Prozent, damit wir den Mittelstandsbauch abflachen können", sagte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki im Hamburger Abendblatt. "Sollten wir keine grundlegende Steuerreform bekommen, muss mindestens dieses Problem angegangen werden."

Inzwischen hat auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy Zweifel an der Wirksamkeit des von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgelegten Sparpakets geäußert. "Ein Sparpaket nach dem anderem führt in die Rezession", sagte er nach einem Bericht der Zeitung Le Figaro während einer Kabinettssitzung.

Er sei skeptisch, dass sich die geplante Steuer für Passagiere, die von deutschen Flughäfen starten, durchsetzen lasse. Zudem bezweifle er, dass durch die vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer so viel Geld eingenommen werde wie geplant. Das Sparpaket war möglicherweise ein Grund für die ungewöhnlich kurzfristige Absage eines geplanten Treffens zwischen Merkel und Sarkozy am vergangenen Montag. "Ich wäre nicht ausreichend gewappnet gewesen, um mit ihr zu diskutieren", sagte Sarkozy. Er habe sich über die französische Botschaft in Berlin geärgert, die Merkels Sparpaket nicht schnell genug analysiert habe.

Sarkozy verwies während der Kabinettssitzung erneut auf die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen. "Wenn die ganze Welt zusammenbricht, muss man das eigene Haus schützen", sagte er. Berlin und Paris hatten nach dem geplatzten Treffen dementiert, dass es eine Verstimmung zwischen Merkel und Sarkozy gegeben habe. Das Treffen der beiden soll nun am 14. Juni im Kanzleramt stattfinden.

Verstoß gegen gute Sitten

Angesichts der Konfliktfelder Sparpaket, Steuern, Opel und Gesundheit droht die Bundespräsidenten-Wahl am 30. Juni zu einer Zitterpartie für die schwarz-gelbe Koalition zu werden. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warnte die FDP, die Zustimmung zum Unions-Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), von einem Verzicht auf Steuererhöhungen abhängig zu machen. "Das ist ein starkes Stück", sagte Dobrindt der Passauer Neuen Presse. Dies verstoße gegen die "guten Sitten in der Politik und gegen die Würde des Amtes". "Für einen solchen Kuhhandel stehen wir nicht zur Verfügung." Er erwarte, dass sich die FDP geschlossen hinter Wulff stelle. "Die FDP darf hier nicht wackeln."

CSU-Generalsekretär Dobrindt betonte, dass er trotz der anderen Differenzen im Streit um eine höhere Spitzensteuer auf der Seite der FDP stehe: "Das Sparpaket ist sozial ausgewogen. Im Sozialetat wird deutlich weniger gekürzt als in den anderen Ressorts", so Dobrindt. Die CSU sei gegen Erhöhungen bei Einkommen- oder Mehrwertsteuer. "Der Spitzensteuersatz greift heute ab einem Einkommen von 52.000 Euro. Wer hier zulangt, belastet auch die Mittelschicht." Dobrindt, der die FDP jüngst als "Gurkentruppe" tituliert hatte, zeigte sich aber unnachgiebig in der Frage einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie, wie sie die FDP will: "Die Kopfpauschale ist tot".

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) verteidigte das Sparpaket und die Kürzungen im Sozialbereich als alternativlos. "Wir haben im öffentlichen Bereich in Deutschland seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse gelebt", sagte er der Allgemeinen Zeitung aus Mainz (Donnerstag). Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnte in der Frankfurter Rundschau davor, das Paket wieder aufzuschnüren. Es soll trotz vieler noch unklarer Regelungen bis 2014 80 Milliarden Euro an Einsparungen bringen. Das ganze Projekt sei eine Nagelprobe für Schwarz-Gelb, betonte von der Leyen.

Nur noch abnicken

Ministerpräsident Wulff sieht seine Wahl trotz des heftigen Streits in der Koalition nicht gefährdet. "Ich bin sehr, sehr zuversichtlich (...), dass wir eine breite Mehrheit bekommen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident am Mittwochabend in der ARD. Aber er forderte, dass der Eindruck vermieden wird, seine Wahl sei Teil eines Handels zwischen Union und FDP. FDP-Politiker hatten zuvor gedroht, die Zustimmung für Wulff sei auch abhängig von der Erfüllung der Forderung nach einem Verzicht auf Steuererhöhungen. In mehreren FDP-Landesverbänden gibt es zudem Kritik, dass der niedersächsische Ministerpräsident ohne Rücksprache mit ihnen von der schwarz-gelben Koalition nominiert worden sei und man die Kür nur abnicken durfte. Hinzu kommt, dass der von SPD und Grünen nominierte Kandidat Joachim Gauck auch bei der FDP hohes Ansehen genießt.

Die SPD forderte Kandidat Wulff derweil auf, sofort von seinem Amt als niedersächsischer Ministerpräsident zurückzutreten. "Christian Wulff sollte sich ein Beispiel nehmen an Richard von Weizsäcker", sagte der parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann (SPD) dem Kölner Stadt-Anzeiger. Weizsäcker sei 1984 mehrere Wochen vor seiner Wahl als Regierender Bürgermeister von Berlin zurückgetreten und "als freier Mann vor die Bundesversammlung getreten".

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