Debatte um Sonderzonen im Osten:Stolpe blitzt mit Niedriglohnplänen ab

Bundesminister Manfred Stolpe findet für seinen Vorschlag eines staatlich geförderten Niedriglohnsektors in Ostdeutschland kaum Unterstützung. Selbst Politiker aus den östlichen Bundesländern sehen dafür kein Geld vorhanden. Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement lehnt Stolpes Idee ab.

Von Ulf Brychcy und Robert Jacobi

Der für den Aufbau Ost zuständige Minister des Kabinetts Schröder hatte sich zuletzt mehrfach für staatliche Lohnzuschüsse zur Ankurbelung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern ausgesprochen. Stolpe kann sich sogar vorstellen, einen solchen Niedriglohnsektor bereits im Gesetzespaket für die Förderung strukturschwacher Gebiete zu regeln, den Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) im Herbst erarbeiten will.

Dort allerdings ist man wenig begeistert. "Uns geht es vor allem um Entbürokratisierung und Deregulierung, nicht um Lohnzuschüsse", sagte ein Sprecher Clements. Für einen staatlichen Niedriglohnbereich gebe es "in unserem Haus keinen Vorschlag".

Das Artikelgesetz zum Bürokratieabbau könne dagegen schon im Herbst vorliegen. Der Inhalt sei abhängig von Ergebnissen eines Modellversuchs, der momentan in Ostwestfalen-Lippe und West-Mecklenburg läuft.

"Löhne sind schon niedrig"

Wenig Chancen für Niedriglohnsektoren im Osten sieht auch der Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter. "Ostdeutschland ist doch schon ein einziges Niedriglohngebiet", sagte der PDS-Politiker. So weise etwa Mecklenburg-Vorpommern das niedrigste Lohnniveau in Deutschland auf, oft seien bereits die Sozialhilfesätze höher.

Aufgeschlossen zeigte sich Holter hingegen für staatliche Lohnkostenzuschüsse. "Sollte die Bundesagentur für Arbeit hierfür Mittel umschichten, habe ich nichts dagegen", sagte er. Holter zeigte sich aber skeptisch. "Wo sollen die Gelder herkommen?", fragte er.

Der Osten profitiere ab 2005 vom SolidarpaktII und von der beschlossenen Neuausrichtung des Länderfinanzausgleichs. Mehr könne "nicht funktionieren". Der SPD-Wirtschaftsexperte im Bundestag, Rainer Wend, zeigte sich zwar für "kreatives Nachdenken" offen. Es dürfe aber kein Unterschied "zwischen Gelsenkirchen und Chemnitz" gemacht werden. Auch dürften nicht im Gegenzug reguläre Jobs verloren gehen.

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) empfiehlt Lohnzuschüsse für bestimmte Personengruppen wie Langzeitarbeitslose. Damit werde aber nicht gleich der Weg zu einem Niedriglohnland beschritten, argumentiert Milbradt, denn: "Wir benötigen in Ostdeutschland eine Lohnentwicklung, die sich am Produktivitätsfortschritt und am Markterfolg der Unternehmen orientiert."

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, lehnt Stolpes Vorschlag als unpraktikabel und nicht zulässig ab. "Ich fürchte, dass sich hinter den schillernden Vokabeln wie Sonderwirtschaftszone oder Niedriglohnsektor für den Osten eher Scheindebatten verbergen", so Rogowski. Das eigentliche Problem sei die mangelnde Flexibilität in ganz Deutschland.

Aus Furcht vor sinkenden Löhnen lehnen auch die Gewerkschaften Stolpes Vorschlag ab. Im übrigen gäbe es "gezielte Lohnkostenzuschüsse für Ältere und Langzeitarbeitslose in Ostdeutschland längst", sagte Heinz Putzhammer, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Der Ostdeutschland-Experte des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), Joachim Ragnitz, verspricht sich ebenfalls wenig von Niedriglohnsektoren in den neuen Ländern. "Das bringt den Aufbau Ost nicht voran", sagte er. Staatliche Lohnkostenzuschüsse seien nur für Gesamtdeutschland und für die Förderung etwa von Langzeitarbeitslosen und gering Qualifizierten sinnvoll, sagte Ragnitz: "Das ist dann aber unbezahlbar."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: