Debatte um Oettinger:Schönbohm kritisiert "öffentliches Abwatschen"

Der brandenburgische Innenminister Schönbohm hat seiner Parteivorsitzenden Merkel parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Ein hochrangiger SPD-Politiker empfahl der CDU eine Diskussion über ihr Selbstverständnis.

Jörg Schönbohm, einer der Wortführer der konservativen CDU-Kreise in der Bundes-Union, hat sich im Fall Filbinger empört über das Verhalten seiner Parteivorsitzenden Angela Merkel geäußert.

Debatte um Oettinger: Empört über seine Parteivorsitzende: Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).

Empört über seine Parteivorsitzende: Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).

(Foto: Foto: dpa)

In der Leipziger Volkszeitung warf Schönbohm der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin vor, sie habe sich mit ihrer öffentlichen Kritik am baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger parteischädigend verhalten.

"Unsere Leute wollen sehen, ob wir auch noch zusammenstehen, wenn uns der Wind einmal stark ins Gesicht weht", zitierte das Blatt Schönbohm. Es sei für ihn "nicht akzeptabel, wie jetzt versucht wird, Oettinger in die rechte Ecke zu drängen".

Das "öffentliche Abwatschen" eines CDU-Ministerpräsidenten durch die eigene Bundesvorsitzende habe bis zu diesem Fall noch nie zum Stil der CDU gehört, kritisierte Schönbohm.

"Mit der öffentlichen Bekanntgabe des Telefonats von Frau Merkel mit Herrn Oettinger zum Fall der Trauerrede zu Hans Filbinger sind die Angriffe gegen Ministerpräsident Oettinger verstärkt worden. Das war in der Sache schädlich", sagte der Landesinnenminister.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die CDU davor gewarnt, zur Tagesordnung überzugehen. Er begrüße, dass Oettinger nach tagelangem Zögern den geschichtsverfälschenden Satz über Filbinger als Nazigegner endlich zurückgezogen habe, sagte Thierse der Berliner Zeitung.

"Es bleibt aber die Erinnerung daran, dass ihm aus den Reihen der baden-württembergischen CDU jubelnd zugestimmt worden ist." Die CDU habe hier noch eine Diskussion nachzuholen.

Nach Ansicht von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ist die Trauerrede Oettingers vor allem ein CDU-internes Problem. "Für die FDP ist die historische Rolle von Herrn Filbinger in der Nazizeit eindeutig", sagte Niebel den Ruhr Nachrichten. "Filbinger hat das nationalsozialistische Regime bis zum Ende unterstützt und ihm gedient. Er ist alles andere als ein Gegner oder gar ein Widerstandskämpfer gewesen." Die CDU täte gut daran, die Rolle einiger ihrer Vertreter in der Zeit des NS-Regimes jetzt endlich aufzuarbeiten. "Bei der Vergangenheitsbewältigung hat die CDU scheinbar ein latentes Problem. Die CDU hat hier Schwierigkeiten, nicht die Landesregierung in Stuttgart."

Der Generalsekretär der baden-württembergischen CDU, Thomas Strobl verteidigte Oettinger, der auch die Empfindungen und Gefühle der Hinterbliebenen Filbingers habe bedenken müssen. "Es ist aller Ehren wert, wenn man sich hier eine Entscheidung nicht einfach macht", sagte Strobl der Berliner Zeitung.

Zur Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Oettingers Trauerrede sagte Strobl, die CDU im Südwesten habe zur Person des ehemaligen Ministerpräsidenten Filbinger, der sich um das Land sehr verdient gemacht habe, "vielleicht eine stärkere emotionale Nähe als jemand, der vor allem Wirkungen im internationalen und nationalen Bereich im Blick hat und auch im Blick haben muss". Oettinger habe aber in dem Bemühen, eine Trauerrede vor allem für die Familienmitglieder zu halten, "möglicherweise die öffentliche Wirkung seiner Worte etwas unterschätzt".

Oettinger hatte sich erst am Montag vor dem CDU-Präsidium glaubhaft von seiner Trauerrede für Filbinger distanziert, in der er den an Todesurteilen beteiligten früheren Marinerichter Filbinger als Gegner des Nationalsozialismus bezeichnet hatte.

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