Debatte um Mehrwertsteuer:Rabatt für die Lust

Lesezeit: 2 min

Alarm bei der Union: Die Mehrwertsteuer auf Hotel-Übernachtungen zu senken, könnte Stundenhotels begünstigen - und damit eine Dienstleistung, die ein Christ eigentlich nicht fördern möchte.

Guido Bohsem

Kaum ein Vorhaben hat der noch jungen Bundesregierung mehr Hohn und Kritik eingebracht als der Plan, die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen in Hotels und Gaststätten zu senken. "Völliger Irrsinn", nennt etwa der Hannoveraner Finanzprofessor Stefan Homburg die Regelung, die Anfang 2010 in Kraft treten soll und die Steuereinnahmen dauerhaft um etwa eine Milliarde Euro im Jahr sinken lassen wird.

Ein möglicher Vorteil für Prostituierte: Auch Stundenhotels könnten von der geplanten Mehrwertsteuer-Senkung profitieren. (Foto: Foto: ddp)

Niemals, so urteilte der Experte in einer Anhörung des Finanzausschusses, werde diese Summe reichen. Denn die Übernachtung sei nur schwer von anderen Dienstleistungen abzugrenzen, die sonst noch im Zusammenhang mit Übernachtungen in Hotels angeboten würden und höher besteuert werden müssten - das Frühstück etwa oder die in einem Pauschalpreis inbegriffene Nutzung des Wellness-Bereichs.

Böser Verdacht: Förderung von Prostitution

Eine ganz besonders heikle Abgrenzung hat nun insbesondere die Finanzexperten von CDU und CSU in Alarm versetzt. Es geht um Stundenhotels und damit um eine Dienstleistung, die ein ehrbarer Christenmensch lieber nicht von der Steuer begünstigt sehen möchte. Wie schnell käme der böse Verdacht auf, ausgerechnet die konservativ dominierte Koalition mache sich der Förderung von Prostitution schuldig.

Ursprünglich sollte die reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent nur für Lebensmittel, Bücher, Zeitungen und dergleichen gelten, also für Waren des täglichen Bedarfs und für Kulturgüter. Es ließe sich trefflich streiten, ob das Bett für den Akt darunterfällt. Steuerrechtlich betrachtet aber ist das wohl eher nicht der Fall.

Das Bett ist die Nebenleistung

Aus dem Blickwinkel eines Finanzbeamten betrachtet, stellt sich das Problem, so ergab eine Prüfung, nicht. Denn im Dickicht des deutschen Mehrwertsteuerrechts gilt als Grundsatz, dass der Steuersatz der Hauptleistung den Steuersatz der Nebenleistung vorgibt. Wenn man also davon ausgeht, dass der Akt die Hauptleistung und das Bett die Nebenleistung ist, wäre für beides der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig.

Die Frage ist nur: Lässt sich diese Theorie auch in die Praxis von Puff und Bordell umsetzen? Angesichts solcher Probleme kann sich die schwarz-gelbe Koalition des Spotts der Opposition sicher sein. Die finanzpolitische Sprecherin der SPD, Nicolette Kressl, höhnt: "Das hat die Koalition von ihren unsinnigen Plänen - sie muss sich mit Abgrenzungsfragen der lächerlichsten Art rumschlagen."

Genaue Kontrolle der Stundenhotels

Das findet auch die Grünen-Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae. Sie wirft unter anderem die Frage auf, ob der Gast den betreffenden Etablissements lediglich die reduzierte Mehrwertsteuer zahlen müsse, wenn er nach dem Geschlechtsverkehr für längere Zeit einschlafe und somit quasi übernachte. "Eigentlich", so lästert die Abgeordnete in ironischer Übertreibung, "müsste man jedes Stundenhotel genau von Finanzbeamten kontrollieren lassen."

Trotz dieser pikanten Problematik einigten sich die Spitzen der Koalition am Dienstag darauf, weiter an der Senkung der Mehrwertsteuer festhalten zu wollen. Um aber ganz sicherzugehen, dass nur Übernachtungen steuerlich begünstigt werden und nicht etwa auch die Betreiber der Stundenhotels, soll es nun eine präzise Ausführungsbestimmung geben, die alle Grenzfälle regelt - und Zusatzleistungen ausschließt.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten FDP und Union übrigens vereinbart, die vielen Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer zu reduzieren. Sie wollen dafür eine Kommission einsetzen.

© SZ vom 02.12.2009/fvk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: