Reform des Verfassungsschutzes:Länder stoppen Friedrich

Viel gewollt, wenig erreicht: Die Innenminister der Länder haben sich vorerst erfolgreich gegen eine von Bundesinnenminister Friedrich angestrebte Reform des Verfassungsschutzes gewehrt. Der Geheimdienst bekommt vorerst keine zusätzliche Macht. Der Koalitionspartner FDP stellt sich auf ganz andere Weise gegen Friedrichs Pläne.

Susanne Höll, Berlin

Beim Mittagessen mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) machten dessen Länderkollegen aus unionsregierten Ländern am Dienstag in Berlin keinen Hehl aus ihrem Ärger. Zentrale Teile von Friedrichs Plänen zur Verfassungsschutzreform seien mit ihnen keinesfalls zu machen, teilten die Gäste dem Mann aus Franken nach Angaben von Teilnehmern ganz unverblümt mit. Es sei bei dem Mahl "hoch hergegangen", sagt einer, der dabei war.

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"Ich will weiterhin eine Zentralstellenfunktion des Bundesamtes": Vorerst sind die Pläne von Bundesinneminister Friedrich zur Reform des Verfssungsschutzes jedoch gescheitert.

(Foto: dapd)

Der Protest hatte jedenfalls das aus Ländersicht gewünschte Ergebnis. Die Länderminister haben den Eindruck, dass der Bundesinnenminister seine ihnen viel zu weit gehenden Pläne für mehr Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz zulasten der Länder aufgegeben habe. Der Bundesminister sei eingeknickt, so die Botschaft aus den Ländern. "Ich gehe davon aus, dass es keine Änderung des Paragrafen 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gibt", sagte der sichtlich entspannte niedersächsische Minister Uwe Schünemann (CDU).

In dem Gesetzesparagrafen wollte Friedrich festschreiben, dass das BfV bei gewalttätigem Extremismus, der über innerdeutsche Ländergrenzen hinweg beobachtet wird, künftig die Ermittlungen an sich ziehen kann. Im Eckpunktepapier zur Reform des Verfassungsschutzes in ganz Deutschland, auf das sich Friedrich mit seinen 16 Länderkollegen am Nachmittag verständigte, ist von einer Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes keine Rede mehr.

Friedrich widerspricht allerdings energisch dem Eindruck, er sei vor dem Druck der Länderminister aller Couleur eingeknickt. "Ich will weiterhin eine Zentralstellenfunktion des Bundesamtes. Wir werden in der Expertengruppe der Innenministerkonferenz auch weiter über eine Gesetzesänderung sprechen", sagte Friedrich der Süddeutschen Zeitung.

Die Innenminister beschlossen ein Zehn-Punkte-Konzept zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes. Der Informationsaustausch zwischen allen 17 Inlandsdiensten soll verbessert, die parlamentarische Kontrolle ausgebaut werden. Geplant sind auch bundesweite Standards für V-Leute. Von der Zentralstelle beim BfV, die eine Liste aller in Deutschland geführten V-Leute führen soll, ist in dem Eckpunkte-Papier allerdings nicht mehr die Rede. Bei ihrer nächsten regulären Konferenz im Dezember wollen die Minister konkrete Reformvorschläge vorlegen.

Friedrich steht eine schwere Zeit bevor

Der Zwist über die Frage, welche Konsequenzen für die Verfassungsschutzarbeit aus dem Skandal um jahrelang unentdeckte Neonazi-Morde gezogen werden, dürfte also in den nächsten Monaten weiter gehen. Friedrich steht vor den schwierigsten Monaten seiner Amtszeit: Er muss nach dem Skandal um die Verbrechen der Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" einen Umbau präsentieren, der den Namen Reform auch tatsächlich verdient. Er stößt dabei auf Widerstand vor allem größerer westdeutscher Länder mit vergleichsweise gut ausgestatteten Verfassungsschutzapparaten. Sie haben Angst, dass der Bund seine Behörden zu Lasten der Länder stärken will.

Diesen Reflex kennt man aus den Bundesländern. Als es in den Jahren der großen Koalition 2005 bis 2009 um eine Reform des Polizeikooperation in Deutschland ging, sträubten sich zunächst etliche Länder, dem Bundeskriminalamt mehr Befugnisse bei bundesweit bedeutsamen Fällen zu geben. Nach langem Klagen, Hin und Her wurde das BKA-Gesetz 2008 doch geändert, die Behörde hat nun das Recht, wichtige Ermittlungen an sich zu ziehen. Heute, so jedenfalls urteilt der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sei jeder Sicherheitsexperte froh über diese Reform.

Der Koalitionspartner FDP stellt sich auf ganz andere Weise quer als die Länder. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gehen Friedrichs Pläne längst nicht weit genug, sie befürwortet eine Zusammenlegung kleinerer Landesämter. Mit solchen Ideen aber braucht Friedrich seinen Länderkollegen erst gar nicht zu kommen.

In diesem Spannungsfeld muss Hans-Peter Friedrich, der sich bislang keinen Ruf als harter Amtschef erworben hat, sein Projekt vorantreiben. Ob ihm bis zur Bundestagswahl eine Reform gelingt, die seinen ursprünglichen Plänen weitgehend entspricht, ist daher fraglich. Für ihn und die Union wäre ein Scheitern aber riskant, dann nähme der Anspruch der CDU/CSU, Garant öffentlicher Sicherheit zu sein, Schaden. Der CDU-Innenexperte Bosbach jedenfalls warnt vor Kompetenzkämpfen: "Ein 'Weiter so' darf es nicht geben. Wir sind bei dieser Reform zum Erfolg verdammt."

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