Debatte um Energiepolitik:Atomindustrie attackiert Röttgen

Verhärtete Fronten im Streit um die Atommeiler: RWE will seine Kernkraftwerke nicht vorzeitig abschalten und stellt sich so gegen Umweltminister Röttgen.

Nico Fried und Mike Szymanski

Die CSU und der Energiekonzern RWE wollen die Laufzeiten von Atomkraftwerken vorerst nicht begrenzen. Wenige Wochen vor der geplanten Vorlage eines Energie-Konzeptes durch die Bundesregierung verhärten sich damit die Fronten im Streit um die Zukunft der Atommeiler. SPD und Grüne reagierten mit scharfer Kritik.

Pk CO2-Speicherung

Bundesumweltminister Norbert Röttgen sieht in der Kernkraft keine Zukunftsoption.

(Foto: dpa)

Der Vorstandschef von RWE, Jürgen Großmann, warnte vor einem vorzeitigen Abschalten von Atomkraftwerken, weil damit betriebs- und volkswirtschaftliches Kapital verschleudert werde. In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung schrieb Großmann: "Gerade Deutschland mit seiner immer noch starken und hoffentlich auch weiterhin leistungsfähigen industriellen Basis braucht die Kernkraft als tragende Säule." Sie helfe, Schwankungen in der Stromerzeugung bei Wind und Sonne auszugleichen. Der RWE-Chef reagierte damit auf Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der vergangene Woche in einem SZ-Interview gesagt hatte, Kernkraft sei "nicht die Zukunftsoption".

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach sich am Wochenende ebenfalls gegen feste Laufzeitbeschränkungen für Atomkraftwerke aus. Er sehe "auf absehbare Zeit" keine Chance, bei der Energieversorgung des Freistaats auf die Kernkraft zu verzichten", sagte Seehofer vor der Landesversammlung der bayerischen Jungen Union in München.

"Für mich macht es keinen Sinn, sichere bayerische Kernkraftwerke abzuschalten, um anschließend den gleichen Strom aus Tschechien zu beziehen." In der Frankfurter Rundschau hatte der CSU-Chef zuvor gesagt, der Maßstab, wie lange ein Kernkraftwerk laufe, müsse zuallererst die Sicherheit sein. Die CSU werde deshalb nicht mit konkreten Jahreszahlen in die Verhandlungen der Koalition gehen.

"Gerede von einer Brückentechnologie eine dreiste Lüge"

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte die Diskussion über das Energiekonzept. Sie zeige erneut, dass "das Gerede von einer Brückentechnologie eine dreiste Lüge" gewesen sei. Schon die Vorstellungen von Umweltminister Röttgen für Laufzeitverlängerungen seien "Lobbyarbeit für die Atomindustrie", sagte Gabriel. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin widersprach vehement dem Argument, die Atomenergie sei für die Versorgungssicherheit notwendig.

Atomsteuer und Atomlaufzeiten - Krümmel

Ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Krümmel bei Wartungsarbeiten. Die Auseinandersetzung über die Atomlaufzeiten und die von der Bundesregierung geplante Brennelementesteuer ist voll im Gange.

(Foto: dpa)

In Deutschland werde jetzt schon mehr Strom produziert "als wir brauchen", sagte Trittin der SZ. Schwankungen bei der Energie-Erzeugung könnten auch ohne Atomkraft ausgeglichen werden. "Den Stromkonzernen geht es vor allem um ihre Exportinteressen", sagte Trittin. Mit Blick auf Seehofers Argument, die Restlaufzeit solle sich an der Sicherheit der Meiler ausrichten, forderte Trittin die schnelle Stilllegung der Reaktoren Biblis A, Brunsbüttel und Neckarwestheim. Diese Kraftwerke hätten mit jeweils mehr als 400 Störfällen "die schlimmste Pannenstatistik" aller Atomkraftwerke in Deutschland.

Seehofer erntete auch Kritik aus der Koalition. Der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch erklärte: "Unbegrenzte Laufzeiten von Kernkraftwerken sind mit dem Koalitionsvertrag nicht vereinbar." Schwarz-Gelb habe eine Laufzeitverlängerung vereinbart, keine Aufhebung der Laufzeitbegrenzung.

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