Debatte um Einbürgerung:Die Akte des Murat Kurnaz

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Einige Innenpolitiker lehnen die Einbürgerung des Türken ab - ihre Bedenken und was die Ermittler dazu sagen.

Hans Leyendecker

Im Fall des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz, heute 24, gab es nach Auffassung einiger Innenexperten von Union und SPD ernstzunehmende Sicherheitsbedenken.

Murat Kurnaz (Foto: Foto: ddp)

Manche Fragen, so der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), ,,scheinen bis heute nicht geklärt zu sein''. Sein SPD-Parteifreund Dieter Wiefelspütz sprach sich am Freitag gegen eine sofortige Einbürgerung von Kurnaz aus, weil dessen ,,Zuverlässigkeit für mich nicht geklärt ist''. Der Stand der Ermittlungen.

Was hat die Bremer Staatsanwaltschaft festgestellt?

Die Strafverfolgungsbehörde hat, mit einer Unterbrechung, knapp fünf Jahre lang im Fall Kurnaz wegen Verdachts auf Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung ermittelt und die Akte im Oktober 2006 mangels Tatverdachts geschlossen. Die komplette Ermittlungsakte liegt der Süddeutschen Zeitung vor, aus ihr stammen auch die Antworten auf die anderen Fragen.

Es wurde vermutet, Kurnaz sei im Herbst 2001 nach Pakistan geflogen, um gegen US-Truppen zu kämpfen. Schily fragte öffentlich: ,,Warum kaufte Kurnaz nur ein Hinflug-Ticket nach Pakistan?''

Dies ist falsch. Kurnaz hatte kein Oneway-Ticket, sondern ein Ticket von Frankfurt nach Karatschi und zurück erworben.

,,Wer hat das Ticket bezahlt''? (Schily)

Kurnaz hat es selbst bezahlt - nur nicht selbst gekauft. Er gab einem Freund etwa 1100 Mark, die dieser wiederum an einen Bremer Studenten weiterreichte. Dieser kaufte das Ticket in einem Reisebüro in einem Einkaufszentrum, in dem sich Kurnaz' Eltern oft aufhielten. Sie sollten nach dessen Angaben von seiner geplanten Reise nichts erfahren. Deshalb die komplizierte Aktion.

Auch die Ermittler hatten zeitweise den Verdacht, Kurnaz wollte in Afghanistan gegen die US-Truppen kämpfen. Was ist von dieser Spur geblieben?

Sie gründete sich im Wesentlichen auf zwei Hinweise. Der Bruder eines Freundes von Kurnaz hatte einem Beamten früh Hinweise darauf gegeben, dass Kurnaz eine Afghanistan-Reise plane. Er hat seine Aussage später relativiert und auch widerrufen. Auch ein Lehrer hatte davon irgendwie gehört, aber es fand sich bei Ermittlungen unter den Schülern dafür kein Zeuge dafür.

Den Mitschülern war seine ,,tiefe religiöse Einstellung'' (Polizei) aufgefallen und dass er nach den Anschlägen vom 11. September eine Kampfhose trug. Über den Anschlag auf das World Trade Center soll Kurnaz gesagt haben, was geschehen sei, sei Allahs Wille. Es ,,vermuteten alle, sein Verschwinden hänge mit Afghanistan zusammen'', steht in einem Polizeibericht.

Ein Kurnaz-Bekannter hat, wie aus den Akten des Staatsschutzes des Bundeskriminalamts hervorgeht, dem FBI per Internet mitgeteilt, er habe ,,seriöse Informationen'', dass Kurnaz ein Terrorist sei. Der in Bremen geborene Türke habe vor der Abreise einer Freundin gesagt, er wolle in den ,,Heiligen Krieg'' gegen die Amerikaner ziehen. Was ist aus diesem Hinweis geworden?

Ihm sind die deutschen Ermittler massiv nachgegangen. Der E-Mail-Schreiber erklärte bei zwei Vernehmungen, die Freundin habe nach seiner Erinnerung gesagt, dass sich Kurnaz in Afghanistan zum Taliban ausbilden lassen wolle. Auch seine Frau habe das mitbekommen. Die gab bei zwei Vernehmungen zu Protokoll, dass jemand, der ,,bei uns im Raum gesessen hat'', etwas gesagt habe. Genaueres wisse sie nicht. Ein Bekannter von Kurnaz, der bei dem Treffen dabei war, bestritt, dass darüber geredet wurde.

Die Kronzeugin wurde einmal befragt und einmal vernommen. Sie sagte: ,,Davon weiß ich nichts. Ich wusste auch nicht, was der überhaupt so macht.'' In einem Sechs-Seiten-Papier der Polizei heißt es dazu: ,,Im Wesentlichen handelt es sich um nicht mehr abschließend klärbare Aspekte aus der Vergangenheit, die sich vermutlich auch aus Missverständnissen aus gemeinsamen Unterhaltungen ergeben haben könnten.'' Bei den Treffen sei ,,Alkohol im Spiel'' gewesen.

Hatte Kurnaz, wie einige Sozialdemokraten bedeuten, Verbindungen zu den Helfern der Hamburger Todespiloten?

Umfangreiche Ermittlungen haben dafür keinen Beleg erbracht. Es gibt allerdings die Aussage des in Syrien inhaftierten und gefolterten Deutsch-Syrers Hayder Zammar, der eng mit den Todespiloten verbunden war. Angeblich hat er nach eigenen Aussagen Kurnaz nach Afghanistan geschickt. Sie hätten sich in Bremen und Hamburg getroffen und seien Freunde gewesen. Kurnaz bestreitet das: ,,Das ist nicht wahr. Persönlich kenne ich keinen, der Zammar heißt. Als ich seine Fotos gesehen habe, ist er mir auch nicht irgendwie bekannt vorgekommen.''

© SZ vom 10.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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