Debatte im Bundestag:Schäuble singt das Hohelied des Haushalts

In der Haushaltsdebatte erklärt der Finanzminister, wie grandios hierzulande doch trotz Euro-Krise alles läuft. Weil seine Zahlen gut aussehen, kann die Opposition nur poltern - und sofort nach dem Ende der Sommerpause den Wahlkampf eröffnen.

Jannis Brühl, Berlin

Wolfgang Schäuble leistet sich an diesem Vormittag ein bisschen Arroganz: "Es gibt übrigens Schlimmeres als Überschüsse", ruft er den Roten und den Grünen zu. "Überschüsse sind etwas, was sie aus ihrer Regierungszeit gar nicht kennen!"

Bundestag

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Haushaltsdebatte: "Es gibt übrigens Schlimmeres als Überschüsse."

(Foto: dapd)

Im Bundestag verteidigt der Finanzminister seinen Haushalt 2013 und er tritt selbstbewusst auf. Die Opposition gibt sich ihrerseits in dieser ersten Sitzung des Bundestages kampfeslustig, der SPD-Vizefraktionschef Poß wird später den rhetorischen Vorschlaghammer herausholen. Schäubles Gegner mühen sich, haben aber einen schweren Stand. Seine Zahlen sehen auf den ersten Blick einfach zu gut aus - selbst wenn er mit ihnen nichts zu tun hat.

Wie kann die Opposition einen Finanzminister in der Haushaltsdebatte schlecht dastehen lassen, dem die Konjunktur die Renten- und Krankenkassen gefüllt hat? Der im neuen Haushalt die Neuverschuldung um 40 Prozent senken will? Der in Zeiten der Euro-Rettung einen großen Teil dieser neuen Schulden auf Deutschlands Beitrag zum Rettungsschirm ESM schieben kann, dem sich auch Rot und Grün nicht verweigern? Antwort: Sie kann es nicht, auch wenn sie sich bemüht.

Schäuble wie im Werbevideo

Ihr bleibt eben nur die Strategie, Schäuble vorzuwerfen, er habe mit den Zahlen nichts zu tun. Die Konjunktur spüle Geld in die Kassen, der robuste Arbeitsmarkt spare dem Staat die Hilfe für Hundertausende Erwerbslose, die Renten- und Krankenkassen würden voller.

Zunächst aber spricht Schäuble gar nicht über den Haushalt. Er signalisiert lieber, dass er sich mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigt: Die ersten zwanzig Minuten seiner Rede verteidigt er die Euro-Rettungspolitik seiner Regierung und lobt Deutschland. Findige PR-Menschen im Finanzministerium könnten seine Worte zu einem Werbevideo für Investoren zusammenschneiden, die in deutsche Staatsanleihen investieren sollen.

"Das Steuersystem ist gerecht" - "Nein, nein!"

Doch halt! An Geld kommt Deutschland ja ohnehin leicht genug: "Wir genießen wegen unserer soliden Finanzpolitik so viel Vertrauen der Investoren, dass es bald schon nicht mehr nachhaltig ist" - eine Anspielung für die mittlerweile negativen Zinssätze, die Deutschland auf Staatsanliehen bieten kann: Investoren zahlen dafür, dem Staat Geld zu leihen. Vor zehn Jahren dagegen habe Deutschland noch als "kranker Mann Europas" gegolten.

Schäuble singt weiter das Hohelied des deutschen Haushalts: "Wir sind, in aller Bescheidenheit, für viele europäische Staaten ein Vorbild." Ein bisschen Lob für den Hartz-Kanzler Gerhard Schröder gibt es auch noch: "Die schmerzhaften Arbeitsmarktreformen haben sich bewährt." Deutschland sei "ein ganzes Stück schockresistenter" geworden. Auf die Globalisierung habe sich das Land eingestellt. Die Krise? "Wir sind gut herausgekommen." Neben "Wir sind gut gefahren" ist das seine Lieblingswendung und er greift oft darauf zurück. Da kann sich jemand durchaus vorstellen, länger im Amt bleiben, so der Eindruck.

"Sie leben im Weltbild des badischen Konservativen"

Dann enthüllt er die Kosten aus dem zweiten Nachtragshaushalt für dieses Jahr: Für den Ausbau der Kleinkinderbetreuung und Zusatzkosten für die Europäische Investitionsbank fallen zwei Milliarden mehr an als geplant. Dennoch bleibe die Neuverschuldung 2012 bei 32,1 Milliarden. 2013 soll sie laut Schäubles Entwurf aber auf weniger als 19 Milliarden sinken. Die Schuldenregel werde ebenfalls nächstes Jahr eingehalten, behauptet Schäuble.

Bundeshaushalt 2013

Für die verbleibenden neuen Schulden 2013 findet Otto Fricke von der FDP später die griffige Formel der zwei einmaligen Ausgaben, die er auch im Plenum noch einmal der Opposition vorrechnet: 8,7 Milliarden müsse Deutschland nun einmal für den europäischen Rettungsschirm ESM bereitstellen, dazu kämen zehn Milliarden, mit der die Regierung den Bundesländern ihr Ja zu Euro-Hilfen abkaufe.

Dieser indirekte Vorwurf, die Länder würden zu viel Geld verbrauchen, sei eine Beleidigung, sagt Priska Hinz, die Grüne aus dem Haushaltsausschuss, in ihrer Rede. Außerdem sind die Grünen der Meinung, die Regierung könne drei Milliarden mehr sparen. Noch vor der Debatte hatte der Bund der Steuerzahler Vorschläge präsentiert, insgesamt 27 Milliarden Euro einzusparen, vor allem, indem die Regierung Subventionen streiche.

SPD und Linke finden wiederum, Schäuble schere sich nichts ums Soziale. Der kontert: Das deutsche Steuersystem sei gerecht. Linke und SPD werden laut, rufen "Nein, nein!" Schäuble erklärt Ideen, radikal umzuverteilen, zum "Hirngespinst". Dann ruft er der den Linken zu: "Das Problem ihrer Hirngespinste ist, dass Sie auch noch versuchen, sie zu realisieren!" Lauter als deren Reaktion wird es an diesem Vormittag nicht.

Occupy Bundestag mit der SPD

Dann kommt Joachim Poß, und mit den letzten Sonnenstrahlen des Sommers 2012, die durch das Glasdach ins Plenum fallen, beginnt der Wahlkampf 2013. Der SPD-Politiker spricht noch lauter als die anderen Redner an diesem Tag. Als würde seine Partei unbedingt Occupy Bundestag spielen wollen, geht er Schäuble hart an: "Sie leben im Weltbild eines badischen Konservativen, der nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist."

Schäuble habe das Mehrwertsteuer-Chaos nicht bereinigt, die Sozialausgaben gekürzt, Steuerhinterzieher könnten immer noch Geld in die Schweiz bringen. Poß wirft dem Minister mangelnde Eigenständigkeit vor: "Sie sind seit drei Jahren ein Erfüllungsgehilfe von Frau Merkel." Die Kanzlerin ist vor Poß' Rede mal eben vor die Tür gegangen. Als sie wieder da ist und Poß weiterpoltert, steht sie wieder auf und läuft demonstrativ kopfschüttelnd an ihm vorbei durch das Plenum. In der letzten Reihe tuschelt sie mit Volker Kauder.

Eine schwarze Null - wenn auch nur in der Planung

"Schaum vor dem Mund" will CDU-Finanzmann Norbert Barthle, der nach Poß spricht, bei seinem Vorredner erkannt haben. Poß habe Kanzlerin und Schäuble persönlich beleidigt. Von sozialem Kahlschlag im neuen Haushalt könne keine Rede sein, sagt Barthle. Die soziale Sicherung mache nach wie vor 48 Prozent der gesamten Ausgaben aus. Und dann wiederholt er das Mantra der Regierung an diesem Tag: Die Neuverschuldung habe sie um einen zweistelligen Milliardenbetrag zurückgefahren.

Schäuble ist in der luxuriösen Position, die schwarze Null zumindest in die Haushaltsplanung eintragen zu können. Ein ausgeglichener Haushalt soll es 2016 werden - das wäre etwas, das es seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Dietmar Bartsch von der Linken hätte die Neuverschuldung - unter anderem mit einer Vermögenssteuer für Millionäre - aber gerne sofort auf Null: "Ich weiß nicht, ob ich die schwäbische Hausfrau falsch verstanden habe, aber Schuldenmachen ist kein Sparen!"

Das ist an die Kanzlerin gerichtet, aber die plaudert immer noch ganz hinten mit Kauder.

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