Debatte im Bundestag:Im Reich von Angela Wolke

Der realitätsferne Auftritt der Kanzlerin dokumentiert, dass die Koalition inhaltlich am Ende ist - und dass von ihr selbst nichts mehr zu erwarten ist.

Jens Schneider

In welchem Land lebt diese Bundeskanzlerin eigentlich? Nach ihrem trostlosen Auftritt in der Generaldebatte des Bundestags, der wurschtig und inhaltsarm war, muss man sagen: nicht hier - nicht in dem Land, das von ihr endlich regiert werden müsste. Den Vorwurf, dass sie sich zu sehr auf die Außenpolitik konzentriere, hat Angela Merkel mit einem arg überheblichen Satz zurückgewiesen.

merkel wolke bundestag dpa

Trostlos, wurschtig, inhaltsarm: Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag.

(Foto: Foto: dpa)

Das sei provinziell, sagte sie und zeigte damit erst, dass sie nicht begreifen will, worum es den Kritikern geht. Im Bundestag hat sie für alle erkennbar dokumentiert, wie sehr deren Vorwurf zutrifft.

Da war weder konkretes Interesse noch gar ein Gefühl zu spüren für die Probleme im Land. Stattdessen präsentierte sich Angela Wolke: eine abgehobene Politikerin, die in die Außenpolitik flieht und selbst dort im Ungefähren bleibt. Beispiel Klimaschutz: Da lobt sie sich ungebremst für die Beschlüsse von Heiligendamm, sagt aber nicht, wie hierzulande die Klimaziele erreicht werden sollen.

Überhaupt, das Selbstlob - so viel Unbescheidenheit hätte sich die CDU-Chefin noch vor zwei Jahren versagt. Nun klammert sie sich an die Floskel, dass der Aufschwung bei den Menschen ankomme.

Damit beschädigt sie ihr Image als Pragmatikerin, die Probleme löst, anstatt die Welt schönzureden. Aber im Reich von Angela Wolke sind innenpolitische Probleme eine Randerscheinung. Kinderarmut und die Sorgen der Niedrigverdiener?

Ein paar Nebensätze hat sie dafür übrig. Dabei ist bezeichnend, wie oft sie sich verspricht, als es um den Kinderzuschlag geht. Drei Anläufe braucht Merkel da, um einen halbwegs geraden Satz herauszubringen. Sie stolpert wie auf fremdem Terrain, wenn es konkret wird.

Allmählich unerträglich wird ihre Methode, nichts zu sagen, indem sie nur Fragen stellt. So beklagt Merkel das Schicksal der vernachlässigten Lea-Sophie aus Schwerin, warnt aber, es könne keine schnellen Antworten geben. Nein, schnell müssen die wirklich nicht kommen, aber Antworten müssen es wenigstens sein. Nicht nur hier wäre das die Aufgabe der Kanzlerin.

Man hat schon vieles damit zu erklären versucht, dass Merkel keine große Rednerin ist, sondern öffentliche Auftritte nur hinter sich bringen will. Diesmal aber war nicht nur jeder Redner nach ihr rhetorisch um Klassen besser, sondern auch näher an der Wirklichkeit. Und das ist weit schlimmer, denn hinter Merkels Realitätsferne verbirgt sich ihr eigentliches Dilemma.

Merkel kann kein schlüssiges Konzept bieten, weil die zerstrittene Koalition das nicht zulässt. Und weil es ihr immer weniger gelingt, das Kabinett mitsamt ihren eigenen Parteifreunden so zu führen, dass kluge Kompromisse herauskommen.

Sie spricht so viel vom Weltklima, weil das Klima daheim konsistente Politik nicht mehr zulässt. Selbst größere rhetorische Talente hätten dieses Problem nicht verbergen können: Merkels Koalition ist zermürbt und konzeptionell am Ende, von ihr ist nichts mehr zu erwarten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: