Debatte im Bundestag:"Eine Sammelabschiebung ist überhaupt kein Skandal"

Darf Deutschland abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan ausfliegen? Bei der Debatte im Bundestag verteidigt ein CSU-Politiker die Maßnahme. Andere Redner halten sie schlicht für grausam.

Es ist eine hitzige Debatte, die an diesem Freitagnachmittag im Bundestag über die gestrige Abschiebung von 34 Afghanen stattfindet. "Eine Sammelabschiebung ist überhaupt kein Skandal", sagt Stephan Mayer (CSU) gleich zu Beginn. Kein Land habe sich neben Schweden so humanitär gezeigt wie Deutschland, weshalb Vorwürfe verfehlt seien.

Ein Flugzeug hat am Donnerstag 34 abgelehnte Asylbewerber von Frankfurt in die afghanische Hauptstadt Kabul gebracht. An der Aktion waren mehrere Bundesländer beteiligt, auch Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo die Innenminister der SPD angehören.

Ulla Jelpke von den Linken fällt ein ganz anderes Urteil: "Die Abschiebeaktion war brutal und menschenfeindlich." Sie auch noch als humanitär zu verkaufen, sei eine Grausamkeit, "und das auch noch vor Weihnachten". Jelpke zitiert aus einem eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Lagebericht des Außenministeriums, demzufolge die Taliban in Afghanistan ungehindert auf Zivilisten losgingen. Die Bundesregierung erzeuge ein Trugbild von sicheren Zonen. "In Afghanistan herrscht Krieg." Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion weist darauf hin, dass in weiten Teilen sexueller Missbrauch von Kindern ein Problem sei, trotzdem sollten sogar Jugendliche abgeschoben werden.

Als "hochproblematisch" bezeichnet auch Lars Castellucci (SPD) Sammelabschiebungen. Doch die Opposition mache es sich auch zu einfach. So kritisierten die Grünen die Politik der Bundesregierung, während auch aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg Afghanen abgeschoben würden.

Thorsten Frei (CDU) rechtfertigt die Maßnahme damit, dass die Sicherheitslage in den insgesamt 400 Distrikten Afghanistans unterschiedlich sei. "Nicht ganz Afghanistan ist unsicher, es gibt dort sehr wohl Bereiche, in denen man leben kann." Auch seien immerhin 3000 Afghanen freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Und jungen Männern sei zuzumuten, zurückzugehen und zu helfen, das Land wiederaufzubauen.

Bereits vor der Debatte hatte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir darauf hingewiesen, dass der Bundestag erst am Donnerstag das Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verlängert habe. "Regierungsmitglieder reisen in Schutzwesten durch Afghanistan, die Taliban sind wieder auf dem Vormarsch - und Innenminister de Maizière will mit der Sammelabschiebung ein Zeichen setzen, dass er durchgreift", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Fraktionen der Grünen und der Linken hatten die Regierung in Anträgen aufgefordert, sich bei den Bundesländern dafür einzusetzen, dass die Abschiebung afghanischer Staatsbürger ausgesetzt wird. Im Bundestag scheitern die Anträge der Opposition nun an den Stimmen von Union und SPD.

In Baden-Württemberg hat die Sammelabschiebung für einen Streit in der grün-schwarzen Koalition gesorgt. Insbesondere die geplante Rückführung eines zum Christentum konvertierten ehemaligen Muslims, die vom Grünen-geführten Staatsministerium in letzter Minute verhindert wurde, hat die Grünen verärgert. "Es gibt in Afghanistan vergleichsweise sichere Regionen, in denen Millionen Afghanen ihrem Alltag nachgehen", verteidigte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Entscheidung. Überdies unterstütze Deutschland Afghanistan mit viel Geld für Entwicklungshilfe, die Bundeswehr sei vor Ort und die Europäische Union habe ein Abkommen zur Rückführung mit der afghanischen Regierung geschlossen.

Wie die Bild-Zeitung berichtet, haben die Länder bis Mitte Dezember bereits insgesamt 24 141 Abschiebungen vorgenommen, im gesamten Vorjahr waren es 22 994 gewesen. Das ist ein Plus von 4,9 Prozent. Die Zahlen schwanken dem Bericht zufolge von Bundesland zu Bundesland. Berlin habe die Abschiebezahlen mehr als verdoppelt, Bayern schob deutlich weniger ab als 2015. Ein Sprecher des Justizministeriums in München sagte der Zeitung: "Wir haben viel früher als andere Bundesländer damit begonnen, konsequent abzuschieben. Andere Bundesländer holen jetzt das nach, was wir 2015 bereits erledigt haben."

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