De Maizière:Ausweis für Flüchtlinge soll Asylverfahren beschleunigen

Vorstellung neuer Ankunftsnachweis

Wie der alte deutsche Führerschein: Aus Zeitgründen, sagt Innenminister Thomas de Maizière, habe man sich "für die Papierversion entschieden".

(Foto: Michael Kappeler/dpa)
  • Das Kabinett hat die Einführung von Flüchtlingsausweisen und eines zentralen Datenerfassungssystems beschlossen.
  • Das Papier soll Tempo in die Asylverfahren bringen, kündigt Innenminister de Maizière an.
  • Flüchtlinge sollen künftig dazu aufgefordert werden, umfangreiche Angaben zu ihrer Person zu machen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Um Behördenchaos und erhebliche Verzögerungen bei der Registrierung von Flüchtlingen in Deutschland zu beenden, hat das Kabinett am Mittwoch die Einführung von Flüchtlingsausweisen und eines zentralen Datenerfassungssystems beschlossen. Es soll für mehr Transparenz und Tempo bei der Übermittlung von Informationen zwischen Bundes- und Länderpolizeien sorgen und Behörden eine schnellere Antragsbearbeitung ermöglichen.

"Das Gesetz steuert und ordnet die Asylbearbeitung, stellt Missbräuche ab und wird insgesamt die Situation ordnen", kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwoch in Berlin an. Dennoch bleibe der Datenschutz gewahrt. "Die Verfassungsschutzbehörden bekommen keinen Zugang", sagte der Minister.

Ziel sei es zu klären, wer ins Land komme und wohin er sich bewege

Das "Datenaustauschverbesserungsgesetz", das im Februar in Kraft tritt, sieht vor, dass Flüchtlinge bei der Einreise in die Bundesrepublik umfangreiche persönliche Angaben machen müssen. Erforderlich sind nicht nur Name, Geburtsdaten, Größe sowie der Fingerabdruck der Person. Flüchtlinge werden künftig auch dazu aufgefordert, Angaben zu Schulabschluss und Ausbildung, Religionszugehörigkeit, absolvierten Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen sowie ihrer Wohnadresse im Herkunftsland zu machen.

"Die Erfassung erfolgt nicht erst bei Stellung des Asylantrags, sondern frühzeitig", sagte der Innenminister. Mit dem neuen System würden Doppelt- und Mehrfachregistrierungen, die den Ablauf verzögern, vermieden. Zudem könnten Behörden und Polizei zügiger feststellen, ob Flüchtlinge "versuchen, über ihre Identität zu täuschen".

Der neue Flüchtlingsausweis ist keine Chipkarte, sondern ein gefaltetes Stück Papier, das dem alten deutschen Führerschein ähnelt. Man habe sich "bewusst für die Papierversion entschieden", aus Zeitgründen, erklärte de Maizière. Auch könne ein Papierausweise vor Ort "schneller ausgedruckt" werden, während die Herstellung einer Chipkarte umständlicher sei.

Der neue Flüchtlingsausweis wird nicht im Erstaufnahmelager ausgehändigt, sondern erst an dem Ort, an dem ein Flüchtling untergebracht wird. Da alle Kerndaten in einem zentralen IT-System erfasst, gespeichert und für Bundespolizei sowie Länderpolizeien und Behörden zugänglich gemacht werden, sollen Flüchtlinge auch bei einem Verlust des Ausweises eindeutig identifizierbar bleiben.

Für die Einführung des Ankunftsnachweises rechnet der Bund mit Kosten von bis zu 35 Millionen Euro für 2016.

Behörden erhoffen sich optimierte Abläufe

Ziel des Gesetzes sei es nicht nur, "Steuerbarkeit und Transparenz" zu verbessern und zu klären, wer ins Land komme und wohin er sich bewege, sagte der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank-Jürgen Weise, bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Innenminister de Maizière in Berlin.

Es gehe auch darum, interne Arbeitsabläufe der Behörden zu verbessern und Reibungsverluste zwischen Bund und Ländern zu reduzieren. Doppel- und Mehrfachregistrierung führten derzeit dazu, dass sich nicht genau beziffern lasse, wie stark etwa das Personal im Bamf aufgestockt werden müsse. Auch könnten Angaben zu Schulabschluss und Ausbildung der Flüchtlinge bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt helfen.

Es sei nicht nachzuprüfen, ob jemand für den IS gekämpft habe

Zunächst ist geplant, Ausweise und die zentrale Datenspeicherung bei Feldversuchen in Berlin, Bielefeld, Heidelberg und Zirndorf zu testen. Dabei sollen Startprobleme erfasst und behoben werden, es handle sich um ein "komplexes System". Erst die Praxis dürfte zeigen, wie bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben vorgegangen wird.

Zunächst sollen Angaben der Flüchtlinge mit ihren Pässen abgeglichen werden. Reist ein Flüchtling ohne Pass ein, kommt es zu einer Anhörung, bei der die Aussagen überprüft werden. Ist vor Ort kein Dolmetscher, könne er per Skype zugeschaltet werden, so der Innenminister. Geplant sei auch, mündliche Sprachproben per Internet daraufhin zu überprüfen, ob die Sprache dem angegebenen Herkunftsort entspricht oder nicht.

All das werde bei der Ersterfassung mehr Zeit in Anspruch nehmen als bisher, gab de Maizière zu bedenken. Dies zahle sich aber später durch ein beschleunigtes Verfahren wieder aus. Alle Schwierigkeiten aber ließen sich nicht ausräumen. "Ein entscheidendes Problem bei der Sicherheit ist, dass wir keine Referenzdaten haben", sagte der Innenminister. So sei nicht verifizierbar, ob jemand dem syrischen Geheimdienst angehört oder für den "Islamischen Staat" gekämpft habe.

Auf Nachfrage räumte der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Weise, am Mittwoch Missverständnisse in der Kommunikation mit den Ländern ein. Die hohe Zahl noch nicht bearbeiteter Asylanträge in seinem Haus zeige, dass Kritik "in der Sache berechtigt" sei. "Die Lage objektiv ist ja nicht gut", so Weise weiter. Allerdings habe es seit seiner Amtsübernahme bereits erhebliche Verbesserungen gegeben. Mehrere Innenminister der Länder hatten in den vergangenen Tagen gefordert, die Mitarbeiter des Bundesamtes müssten mehr Überstunden machen und auch am Wochenende arbeiten, um den Berg von mehr als 350 000 offenen Asylanträgen abzubauen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: