David Kelly:"Die Iraker sind clever und ich muss cleverer sein"

David Kelly, der sich bis ins Detail mit den irakischen Waffen auskannte, tat sich mit der Sichtweise der Politiker schwer

Hans Leyendecker

(SZ vom 21.7.2003) - Der Mikrobiologe David Kelly hat in den vergangenen zehn Jahren oft mit Journalisten geplaudert. Insbesondere für Judith Miller von der New York Times und für die britischen Reporter Nicholas Rufford oder Tom Mangold, Spezialisten für Geschichten über Waffen und Irak, war er ein wichtiger Gesprächspartner. Kelly war Experte für alles, was mit chemischen und biologischen Waffen zu tun hat. In den Jahren von 1991 bis 1998 ist er 37 Mal im Auftrag der Vereinten Nationen als Waffeninspekteur in den Irak gereist und bei den meisten Expeditionen war er der Chef.

Kelly war ein angenehmer Gesprächspartner der prächtig erzählen konnte. Eine seiner schönsten Geschichten war, dass die Iraker 1988 versucht hätten, Milzbranderreger beim britischen Institute Chemical and Biological Defence Establishment in Porton Down einzukaufen, in dem Kelly früher selbst beschäftigt war.

Selbstverständlich sei die Anfrage der Iraker abgelehnt worden. Auch machte er sich über die Eigenheiten der irakischen Biowaffen-Experten lustig; sogar ihre Examensnoten waren ihm geläufig, denn die meisten von ihnen waren in Großbritannien ausgebildet worden.

Die Erlebnisse im Irak haben den 59 Jahre alten Wissenschaftler geprägt. Kelly zog 1991 in den Golfkrieg, und eigentlich ist er nie zurückgekehrt.

Es ging ihm wie vielen anderen Inspektoren der United Nations Special Commission (Unscom), die von den Helfern des irakischen Diktators Saddam Hussein belogen und bedroht wurden. Kelly und seine Kollegen haben gelernt, damit zu leben. "Die Iraker sind clevere Typen und ich muss cleverer sein" hat er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung einmal seine Erfahrungen zusammengefasst.

Er ist seit Herbst 2002, wie andere Inspektoren auch, zwischen die Fronten geraten. Die Regierungen in den USA und Großbritannien machten Druck. London und Washington bastelten an Gründen, die einen Krieg im Irak rechtfertigen würden. Dem ehrpussligen Wissenschaftler Kelly ging das alles zu weit.

Es ist unwahrscheinlich, dass er dem Reporter der BBC gesagt hat, die Regierung habe den Bericht der Geheimdienste "sexier" gemacht. Über Politik hat er im Gespräch mit Journalisten nie geredet. Doch er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass bislang keiner aus seiner Inspektoren-Gruppe einen mit Biowaffen bestückten Gefechtskopf im Irak zu Gesicht bekommen habe.

Merkwürdigkeiten haben ihn irritiert. So hatten die Iraker 1998 erklärt, sie hätten Bomben des Typs R-400 mit Aflotoxin gefüllt. Aflotoxin ist ein Gift, das nach zehn bis zwanzig Jahren Leberkrebs hervorruft. Spezialisten wie Kelly zweifelten, dass ein solcher Stoff als Kriegswaffe geeignet sein könnte. Er mutmaßte, das die Regierenden im Irak solche Angaben aus Wichtigtuerei gemacht hätten.

Aber auch mit dem anderen Lager hatte Kelly Probleme. Spätestens nach Ende des Dritten Golfkrieges im April dieses Jahres kam die These auf, dass der Irak seit vielen Jahren über keine Massenvernichtungswaffen mehr verfüge. Alle chemischen und biologischen Kampfstoffe seien spätestens Mitte der neunziger Jahre zerstört worden. Gesprächspartner von Kelly sagen, dass er an dieser These gezweifelt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfüge, liege bei dreißig Prozent, hat er im Juli vor einem Ausschuss in London erklärt.

Ebenso wie viele seiner Kollegen von der Unscom, die zwischen 1991 und 1998 im Irak waren, hatte er wenig Zutrauen in die Unmovic-Truppe, die zwischen November 2002 und März 2003 im Irak nach Waffen suchte. Für etliche der Unscom-Leute, die sich als Veteranen im Krieg mit Saddam empfanden, waren die Unmovic-Leute, die von dem Schweden Hans Blix dirigiert wurden, Dilettanten.

Als die Affäre mit der BBC eskalierte, berichten Freunde, sei Kellys Hauptsorge gewesen, nie mehr in den Irak zurückkehren zu können.

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