David Cameron im Unterhaus zum britischen Abhörskandal:Der Lächelnde geht in die Offensive

Bei seinem Statement wurde er mehrmals von wütenden Zwischenrufen unterbrochen: Großbritanniens Premier Cameron hat im Unterhaus Stellung zum Abhörskandal bezogen - und sich ein hitziges Wortgefecht mit den Parlamentariern geliefert. Zwar erklärt er, dass er es bedauere, seinen früheren Kommunikationschef Coulson engagiert zu haben. Eine Entschuldigung aber lehnt er ab - und schiebt der Opposition eine Mitschuld zu.

Es war ein hitziger Schlagabtausch im Unterhaus, mehrmals musste der Sprecher die Parlamentarier zur Ordnung rufen - und am Ende stand ein Premier, der sich in der Debatte zugleich reumütig und angriffslustig zeigte: Der konservative Regierungschef David Cameron hat sich an diesem Mittwoch in einer Sondersitzung den Fragen der Parlamentarier gestellt. Er hatte die Abgeordneten gebeten, die Sitzungsperiode zu verlängern, damit er zum Abhörskandal um News of the World Stellung beziehen könne. Der Mittwoch ist traditionell die Zeit für die "Questions to the Prime Minister", im britischen Redeparlament, wo alle politischen Fragen per Schlagabtausch geklärt werden, ein wichtiges Kontrollinstrument der Opposition.

Phone hacking claims

David Cameron bei seiner Stellungnahme vor den Abgeordneten im Unterhaus: "Ich entschuldige mich nur, wenn Coulson gelogen hat."

(Foto: dpa)

Dem sonst so eloquenten Cameron, der Angriffe der Opposition gerne mit einem Lächeln quittiert, war anzusehen, wie sehr er in den vergangenen Tagen unter Druck geraten war: Mit hochrotem Kopf ging der Tory-Chef in der knappen Stunde vor den Parlamentariern immer wieder in die Offensive, keine Spur von einem Lächeln, stattdessen kräuselte sich Camerons Stirn und seine Handkante fuhr am Ende immer hektischer durch die Luft. Begleitet wurde die Ansprache des Premiers von aufgebrachten Zwischenrufen der Opposition.

Eine Entschuldigung hatte Oppositionsführer Ed Miliband von dem Premier gefordert - und nicht nur eine halbherzige. Als "katastrophale Fehleinschätzung" bezeichnete Miliband die Anstellung Andy Coulsons als Kommunikationschef der Regierung. Cameron räumte ein, dass er diese Entscheidung bereue. Coulson war zu dem Zeitpunkt der Abhöraktionen Chefredakteur der News of the World, Anfang Juli war er im Zuge der Ermittlungen von Scotland Yard festgenommen worden. Coulson hatte immer bestritten, von den Abhöraktionen gewusst zu haben.

Cameron lehnte es aber ab, sich für die Einstellung Coulsons zu entschuldigen. Er habe eine "altmodische Haltung zur Unschuldsvermutung", so Cameron. Sollte sich herausstellen, dass Coulson gelogen habe, dann sei eine Entschuldigung fällig. "Und, glauben Sie mir, dieser Pflicht komme ich dann auch nach."

Weitere Punkte, zu denen Cameron Stellung nahm:

[] Insbesondere die Labour-Abgeordneten beharrten in der Debatte darauf, dass Cameron weitere Details zur Anstellung von Andy Coulson bekanntgeben solle. Cameron wich diesen Forderungen aus mit dem Hinweis, Labour versuche "mit Hilfe von lächerlichen Verschwörungstheorien das politische Spiel" zu gewinnen. Cameron nahm auch seinen Stabschef Ed Llewellyn in Schutz. Der war am Vortag in den Verdacht geraten, den Premier nicht über wichtige Informationen im Abhörskandal informiert zu haben.

[] Mehrfach wurde Cameron gefragt, ob er bei seinen Treffen mit News-Corp.-Vertretern jemals auch über das Milliardengebot des Konzerns für den Bezahlsender BSkyB gesprochen hat. Auch hier wich der britische Premier aus: "Es hat nie unangemessene Gespräche gegeben." Er habe sich aus jeder Entscheidung über dieses Gebot herausgehalten. Auch mit Rebekah Brooks habe er nur Gespräche geführt, die er auch im Beisein des Parlaments hätte führen können. Die frühere News-International-Chefin hatte bei ihrem gestrigen Auftritt bereits bestritten, vor dem Hintergrund des BSkyB-Gebots gezielt die Nähe des Premiers gesucht zu haben. Tatsächlich seien Cameron und sie Nachbarn - und ihr Kontakt "vollkommen angemessen".

[] Simon Hughes von den Liberaldemokraten forderte den Premier auf, es solle "keine weiteren Hintertürbesuche in Downing Street 10" geben. Der Abgeordnete spielte dabei auf eine Aussage Rupert Murdochs am Vortag im Unterhaus an, wonach der Medienunternehmer durch die Hintertür zu Treffen in der Downing Street 10 hereingelassen worden sei. Cameron wies die Vorwürfe zurück, wonach seine Regierung mit Treffen von Murdoch-Vertretern nicht transparent umgegangen sei. Vielmehr nahm er in seiner Stellungnahme auch die oppositionelle Labour-Partei in die Verantwortung. Der Abhörskandal sei nicht erst in seiner Amtszeit seit 2010 entstanden, sondern betreffe auch die Amtszeiten der vorangegangenen Labour-Premierminister Tony Blair und Gordon Brown. "Das Problem ist über Jahre gewachsen und betrifft beide Parteien", sagte Cameron.

[] Cameron will die Untersuchung zum Abhörskandal auf andere Medien ausweiten: Neben News of the World sollten auch Medien wie das Fernsehen überprüft werden, erklärte Cameron im Parlament. Er habe den Verdacht, dass nicht nur bei dem früheren Skandalblatt zu illegalen Recherchemethoden gegriffen worden sei. Zudem solle sich der eigens eingesetzte Untersuchungsausschuss mit informationsbezogenen Verbrechen aller Art befassen, unter anderem mit dem Abhören von Telefonen und Sprachnachrichten sowie mit Hackerangriffen auf E-Mail-Konten. Er wolle das Beziehungsgeflecht zwischen Medien, Polizei und Politikern umfassend untersuchen, erklärte Cameron.

[] Einige Abgeordnete warfen Camerons Team vor, auf die Polizei Druck ausgeübt zu haben, damit die Ermittlungen eingestellt würden. Diese Vorwürfe wies Cameron entschieden zurück. Die Annahme, Downing Street habe versucht, auf sensible Polizeiermittlungen Einfluss zu nehmen, sei absolut falsch, erklärte der Konservativen-Chef. Seine Partei habe auch niemals Zahlungen an Reporter geleistet, die im Zusammenhang mit dem Skandal festgenommen wurden.

[] Bezüglich der Korruptionsvorwürfe gegen die Londoner Polizei kündigte Cameron an, er werde nach Möglichkeiten suchen, eine neue Führungsspitze für die britische Polizei zusammenzustellen. Im Vorfeld der Sondersitzung des Parlaments war ein parlamentarischer Untersuchungsbericht veröffentlicht worden, der Scotland Yard einen ganzen "Katalog von Fehlern" bei den Ermittlungen zum Abhörskandal vorwirft. Die Londoner Polizei Metropolitan Police Service habe keinen "wirklichen Willen" gezeigt, etwas gegen die mangelnde Kooperation von News International zu tun.

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