Datenüberwachung:Obama spricht mit Merkel über US-Schnüffelei

Anruf im Weißen Haus: Kanzlerin Merkel teilt dem US-Präsidenten die Sorgen der Europäer über die Ausspähaktionen der NSA mit. Und Obama versichert, diese ernst zu nehmen. Eine Arbeitsgruppe von Geheimdienstexperten soll in Kürze ihre Arbeit aufnehmen - parallel zum Start der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit US-Präsident Barack Obama über die angeblichen Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes NSA gesprochen und die europäische Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert in der Nacht mitteilte, fand das Telefonat am Mittwochabend statt. Merkel habe die Ankündigung Obamas begrüßt, dass die USA ihren Verbündeten Informationen über diese Aktivitäten zur Verfügung stellen würden. Obama habe versichert, Bedenken der europäischen Partner sehr ernst zu nehmen, teilte das Weiße Haus in Washington mit.

Der anstehende Washington-Besuch einer Delegation von Vertretern deutscher Bundesministerien und Dienste werde Gelegenheit zum intensiven Austausch über diese Fragen geben, erklärte die Kanzlerin demnach. Merkel und Obama hätten sich ferner dafür ausgesprochen, dass geplante EU-US-Experten-Arbeitsgruppen ihre Gespräche bereits am 8. Juli aufnehmen sollten. Dabei solle es vor allem um Fragen der Aufsicht über die Nachrichtendienste, der Nachrichtengewinnung sowie die Themen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre gehen.

Die Bundeskanzlerin und der US-Präsident hätten zudem ihr starkes Interesse an der von EU und USA angestrebten Freihandelszone bekräftigt. Die Verhandlungen darüber, die am 8. Juli beginnen sollen, hätten weiterhin höchste Priorität. Frankreich hatte am Mittwoch gefordert, die Verhandlungen wegen der Spionagevorwürfe aufzuschieben. Auch der SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht eine Belastung für die anstehenden Verhandlungen, falls tatsächlich deutsche und EU-Einrichtungen abgehört worden seien.

Derweil fordern Politiker von FDP und SPD unmittelbare Konsequenzen aus den Vorwürfen gegen die USA. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sprach sich dafür aus, den automatischen Datenaustausch mit den USA zu unterbrechen. "Ein solcher Datenaustausch ist erst wieder sinnvoll, wenn es ein gemeinsames Verständnis von bürgerlichen Freiheiten gibt", sagte Lindner der Welt. Dass es den USA vor allem um Terrorbekämpfung gehe, stellte er infrage: "Außenvertretungen der EU sind sicherlich kein Rückzugsgebiet für islamistischen Terror", sagte Lindner.

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte die US-Regierung auf, die Abhöraktionen zu stoppen. Die Internet- und Telefonüberwachung des US-Geheimdienstes NSA sei "aus den Fugen geraten", sagte Steinmeier. SPD-Chef Sigmar Gabriel griff das Krisenmanagement der Bundesregierung an und forderte rechtliche Schritte. Er rief die Bundesanwaltschaft dazu auf, Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der beteiligten Nachrichtendienste einzuleiten. "Es handelt sich um einen Angriff auf in der Verfassung geschützte Grundrechte", sagte Gabriel zu Spiegel Online. Zugleich appellierte Gabriel an die deutsche Justiz, den von den USA gejagten Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Moskau zu befragen und gegebenenfalls in ein Zeugenschutzprogramm aufzunehmen.

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