Datenschutz:Kronzeuge an Bord

Auto- und Carsharing-Firmen sammeln brisante Daten über ihre Kunden. Ein BMW-Fahrer wurde böse überrascht und durch sein Bewegungsprofil der fahrlässigen Tötung überführt.

Von Thomas Fromm

Manchmal kommen Dinge zufällig ans Tageslicht. So wie im Fall eines Kunden des Car-Sharing-Anbieters Drive Now, der von BMW und dem Autovermieter Sixt gemeinsam betrieben wird. Der Mann hatte einen Radfahrer überfahren und getötet. Ende Mai wurde er wegen fahrlässiger Tötung zu 33 Monaten Haft verurteilt. Vielleicht wäre er nie der Tat überführt worden, wenn das Kölner Landgericht nicht die gespeicherten Daten aus dem Auto angefordert hätte, aus denen es dann ein sogenanntes Bewegungsprofil über den Mann und seine Fahrt erstellen ließ.

Der Fall ist aufgeklärt, der Mann verurteilt. Aber die Hintergründe des Gerichtsverfahrens entfachen nun Diskussionen. Dass Autohersteller Daten ihrer Kunden speichern können, dass sie in Zeiten digital vernetzter Fahrzeuge wissen könnten, wer wann wohin gefahren ist - zu befürchten war das schon lange. Jetzt aber fragen sich viele: Kann es sein, dass mich mein eigenes, vernetztes Auto ausspioniert und am Ende sogar verrät?

Datenschützer sind alarmiert. "Das Problem ist: Es ist nicht bekannt, welche Daten am Ende von welchen Autos gespeichert werden", sagt Daniela Mielchen, Fachanwältin für Verkehrsrecht: "Allerdings wissen wir, dass BMW mit seinen vernetzten Connected-Drive-Modellen schon sehr weit ist. Sie können Bewegungsprofile erstellen, sie dürfen es aber eigentlich nicht."

Im Fall von BMW und Drive Now seien die Grenzen klar gezogen, sagt ein BMW-Sprecher. In den Autos der Carsharing-Flotte stecke ein sogenanntes CSM-Modul, das Informationen über die Fahrten sammelt. Dieses Modul ist Teil des Geschäftsmodells; es soll Zeiten, Start- und Endpunkte der Fahrten erfassen, um am Ende die Rechnung für die Fahrt ausstellen oder Kundenbeschwerden nachgehen zu können. Beim Autobauer liegen also alle Daten, die An- und Abfahrt oder den Streckenverlauf betreffen. Der Anbieter Drive Now dagegen behält den Zugriff auf die Vertragsdaten einzelner Kunden. Beide Datensätze dürfen aus Datenschutzgründen nicht zusammengeführt werden. Außer, wie im Fall Köln geschehen, die Herausgabe beider Datensätze wird gerichtlich verfügt, um ein personenbezogenes Bewegungsprofil anzufertigen. Auch bei dem von Daimler betriebenen Car-Sharing-Dienst Car2go verfüge man "nur über Informationen zu den Anfangs- und Endpunkten einer Kundenfahrt und möglichen Parkstationen zwischendurch", sagt eine Sprecherin. Allerdings: "Wenn Gerichte mit konkreten Fragen auf uns zukommen, prüfen wir das und geben die Informationen im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung heraus. So viel wie nötig und so wenig wie möglich."

Technisch geht heute mehr, als viele denken. Ein Auto hat, schätzen Experten, an die 70 Steuerungsgeräte, mit denen Daten ausgelesen werden können. "Es gibt Navigationsgeräte, die können, sogar wenn sie nicht in Betrieb sind, bis zu 3000 Kilometer speichern und so sehr detaillierte Bewegungsprofile liefern", sagt die Anwältin Mielchen. Sogar Airbags könnten Daten speichern. Die Möglichkeit bestehe daher, "dass Autohersteller in den kommenden Jahren zu Helfershelfern der Justiz werden".

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