Das Wahldrama in Hessen:Fünf Parteien und ein Nadelöhr

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Wie die Krise in Hessen gelöst werden soll, ist unklar. Jede Möglichkeit hat einen Haken, aber vor allem die SPD fürchtet Neuwahlen.

Detlef Esslinger

Zunächst geht es in Hessen weiter wie bisher: Die neue Minderheitsregierung kommt nicht zustande, also bleibt die alte Minderheitsregierung im Amt. Mit dem Unterschied, dass es sich dabei um keine gewählte, sondern nur um eine geschäftsführende handelt.

Andrea Ypsilanti ist gescheitert, Roland Koch bleibt geschäftsführender Ministerpräsident. Wie es jetzt weitergeht, ist noch nicht klar. (Foto: Foto: dpa)

Die jetzige CDU-Landesregierung war im Jahr 2003 gewählt worden, zu Beginn der vormaligen Wahlperiode. Damals hatte die Partei von Ministerpräsident Roland Koch überraschend die absolute Mehrheit erhalten. Erstmals in ihrer Geschichte war die hessische CDU stärker als die drei anderen Parlamentsparteien SPD, Grüne und FDP zusammen. Es sollte eine einmalige Erfahrung bleiben.

Seit dem vergangenen Januar gehören fünf Parteien dem Parlament in Wiesbaden an. Weder für ein Bündnis aus CDU und FDP noch für Rot-Grün reichte es zur absoluten Mehrheit von 56 Mandaten - und Dreierbündnisse aus CDU, FDP und Grünen oder aus SPD, Grünen und FDP scheiterten an ideologischen Differenzen und persönlichen Animositäten der führenden Politiker.

Und weil im März auch der erste Anlauf zu einer rot-grünen, von den Linken tolerierten Minderheitsregierung am Nein der SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger scheiterte, ist Kochs alte CDU-Regierung geschäftsführend im Amt geblieben.

Denn so sieht es Artikel 113 der Landesverfassung vor: Mit der Konstituierung des neuen Landtags zu Beginn einer Wahlperiode muss die Regierung zurücktreten, führt aber "die laufenden Geschäfte bis zu deren Übernahme durch die neue Landesregierung weiter".

Ministerpräsident und Minister bleiben uneingeschränkt im Amt, mit zwei Unterschieden zu einer regulären Regierung allerdings: Sie können sich auf keine parlamentarische Mehrheit mehr stützen - und sie dürfen nicht zurücktreten.

Das Provisorium

Es ist ein Zustand, den alle in Wiesbaden als provisorisch ansehen; wie er nun aber beendet werden kann, darüber herrscht Unklarheit. Neuwahlen? Den Weg dazu weist die hessische Verfassung: Der Landtag müsste dem Ministerpräsidenten durch Beschluss das Vertrauen entziehen oder dessen Vertrauensantrag ablehnen. Schafft er es anschließend nicht, innerhalb von zwölf Tagen eine neue Regierung zu wählen, "so ist er aufgelöst", wie es in Artikel 114 heißt.

An diesem Weg besteht in der hessischen SPD derzeit ein geringes Interesse - bei Neuwahlen müsste sie sich auf ein Debakel einstellen. Auch der SPD-Abgeordnete Jürgen Walter, einer der prominentesten Abweichler, hält wenig von dieser so unkalkulierbaren Variante. Er sagte am Montag: "Wir wollen, dass die Parteien nochmal aufeinander zugehen und eine stabile Regierung ohne die Linkspartei bilden."

Aber welche Parteien sollen das sein? Dass eine waidwunde SPD nun als Juniorpartner der CDU in eine große Koalition geht, gilt als kaum vorstellbar. Und dass dieselbe waidwunde SPD nun in der Lage wäre, mit den Grünen und den ihnen so fremden hessischen Freidemokraten ein Bündnis zu formen - wo sollte sie die Kraft dazu hernehmen?

Also ein Dreierbündnis aus CDU, FDP sowie den von der SPD entnervten Grünen? Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn rief am Montag Ministerpräsident Koch und Grünen-Chef Tarek Al-Wazir ein bisschen verklausuliert "zu Gesprächen auf, ob es noch Alternativen zu Neuwahlen als eigentlich sauberster Lösung gibt". Ministerpräsident Koch ging darauf nur teilweise ein. Er sagte, es müsse nun "mit den Parteien gesprochen werden"; mit welchem konkreten Ziel, sagte er nicht.

© SZ vom 04.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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