Das Prinzip Ehrenvorsitzender:Zuckerguss für Roland Berger und andere Wichtige

Rita Süssmuth, Edmund Stoiber und neuerdings Roland Berger sind Ehrenvorsitzende. Der edle Titel soll trösten - Macht haben sie keine mehr.

Hans-Jürgen Jakobs

Das erste Glück kam mit der eigenen Wäscherei. Damit entdeckte er in München eine Marktlücke, und natürlich ließ sich das Studium der Betriebswirtschaftslehre so sehr gut finanzieren. Die Wäscherei verkaufte der BWL-Jahrgangsbeste 1962 mit Gewinn, und dann begann ein Leben als Berater - zunächst für einen italienischen Betrieb, dann als Herr im eigenen Haus.

Pressekonferenz zur Verleihung des 'Roland Berger Preises fuer Menschenwuerde'

Ein Posten mit Zuckerguss: Roland Berger wird Ehrenvorsitzender.

(Foto: ddp)

Roland Berger wurde so zur geheimen Stimme Deutschlands, ein Mittler zwischen den Welten der Politik und der Wirtschaft, dessen Rat Minister schätzten. Nur das man am Ende bei Roland Berger Strategy Consultants den ehrenwerten Gründer, mittlerweile 72 Jahre alt, nicht mehr als großen Aufsichtsratsvorsitzenden sah.

In einem solchen Falle findet sich schnell ein Zuckerguss-Posten der besonderen Art. Er klingt nach Bundesverdienstkreuz am Bande, und weist direkt in den Olymp: Berger wird künftig Ehrenvorsitzender. Damit gehört er einem Klub gestandener Macher an, die gerne nach aktuellen Ansichten gefragt werden, auch wenn sie nichts mehr zu sagen haben. Ihr prominenter Name ziert so gut wie alle Nachfrager nach Prominenz, und so pflegen sie ein Leben zu führen zwischen One-Dollar-Jobs und Interviews. Natürlich sitzen sie in Talkshows herum.

So wie jetzt Edmund Stoiber am Sonntag bei Anne Will. Der einstige bayerische Ministerpräsident ist, genau wie Theo Waigel, inzwischen Ehrenvorsitzender seiner CSU, der es so leichter fiel, auf ihren enigmatischen Vorsprecher zu verzichten.

Die Historiker wissen, wie beredt Berger im Jahr 2002 in allen Zirkeln der Gesellschaft für den damaligen Kanzlerkandidaten warb. Als Stoiber dann von der CSU gewissermaßen zwangspensioniert wurde, haben die beiden versucht, Schneisen in die Brüsseler Bürokratie zu schlagen - also einmal so richtig in der EU aufzuräumen. Nun, da beide den Status des "Ehrenvorsitzenden" haben, sollte die Aufgabe noch leichter fallen.

So ein Ehrenvorsitzender macht sich titelmäßig noch besser als der handelsübliche Honorarkonsul von Dingsda. "Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen", sagte der unglückliche Horst Köhler bei seiner Flucht aus Schloss Bellevue.

Ein richtiger Ehrenvorsitzender spricht von der Ehre niemals im Präteritum . Es ist ihm immer eine Ehre - es sei denn, er wird nachträglich bei einer schlimmen Affäre erwischt. Helmut Kohl beispielsweise, der CDU-Patron, war gerade mal 14 Monate Ehrenvorsitzender seiner Partei, als ihn die CDU in der Parteispendenaffäre bis zur Nennung der anonymen Großspender bat, sein Amt ruhen zu lassen.

Da gab es Kohl einfach zur Gänze auf. Auch vereinzelte Forderungen rund um den 80. Geburtstag des Altkanzlers, ihm doch wieder den Ehrenvorsitz zu gewähren, änderten nichts an dem Status.

Machtverlust - ganz ehrenhaft

In der Politik genießen derzeit auch zwei FDP-Größen, Altbundespräsident Walter Scheel und Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, den Glamour des Ehrenvorsitzenden. Otto Graf Lambsdorff, auch er Ehrenvorsitzender, starb im vorigen Jahr. Die SPD wiederum hatte nach dem Tod des Ehrenvorsitzenden Willy Brandt im Jahr 1992 in schneller Abfolge so viele Chefs, dass überhaupt kein Ehrenvorsitzender entstehen konnte. Ehrenvorsitzender Scharping? Das klänge heute merkwürdig. Der so Geehrte muss es schon am besten ein Jahrzehnt in hoher Warte ausgehalten haben.

Bei Franz Beckenbauer beispielsweise stand die späte Adelung nie im Zweifel. Er war - bis auf eine Auszeit in New York und Hamburg - immer da beim FC Bayern, und so wurde er nach 15 Jahren Präsident naturgemäß "Ehrenpräsident". Das deutet phänomenologisch auf noch mehr Ruhm als der "Ehrenvorsitz", meint aber das Gleiche.

Vereine und Organisationen gehen häufig dazu über, bekannte Persönlichkeiten über Ehrentitel einzubinden. Der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunis zum Beispiel ist Ehrenpräsident des Global Economic Network, Rita Süssmuth fungiert als Ehrenvorsitzende des deutschen Aids-Stiftung.

Rudolf Dreßler, der in der Agenda-2010-Ära verfemte Sozialdemokrat, ist inzwischen Ehrenvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (Afa) in der SPD, der einstige US-Präsident Bill Clinton übernahm den Ehrenvorsitz im Komitee für die Bewerbung der USA als Austragungsland der Fußball-WM 2018.

Machtverlust lässt sich nun einmal am besten mit einem solchen Titel kompensieren. Durch den Alltag kommt man so besser. Und so gibt es Ehrenvorsitzende überall in der Republik, beim Kochverein Bodensee genauso wie beim Gemischten Chor in Itzum bei Hildesheim.

In der Wirtschaft obliegt es vor allem Eigentümern, nach Ende der operativen Tätigkeit eine Ehrenfunktion in der eigenen Firma zu übernehmen. Reinhard Mohn, der Mann von Bertelsmann, zog so viele Jahre als Ehren-Aufsichtsrat in Gütersloh die Strippen. Und einer wie Gianni Agnelli, der Patron von Fiat, war bis zu seinem Tode Ehrenpräsident des italienischen Autoriesen.

Folgerichtig also wird Roland Berger Ehrenvorsitzender, auch wenn die jüngsten Positionskämpfe im eigenen Haus womöglich nicht nach seinem Geschmack waren. Er ist ja nur noch kleiner Anteilseigner. Aber wenn Berger jetzt noch mehr mit Stoiber macht, und vielleicht der Münchner Lokalfreund Franz Beckenbauer dazustößt, ließe sich bestimmt einiges bewegen, zumindest in der Presse.

Und das alles ganz ehrenhaft.

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