Das Massaker von Srebrenica:Grausame Morde, konsequente Vertreibungen

Im Juli 1995 marschierten bosnisch-serbische Truppen in die UN-Schutzzone Srebrenica ein. Es folgte ein Massaker, das als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gilt.

Barbara Galaktionow

Die bosnische Stadt Srebrenica stand seit 1993 unter der Protektion der Vereinten Nationen. Knapp 400 niederländische Soldaten sicherten die UN-Schutzzone im umkämpften Ostbosnien. Doch als deren etwa 40.000 Einwohner der Hilfe am meisten bedurften, versagten die Blauhelm-Truppen.

Srebrenica, ap

Zeugnisse des Grauens: In der Region um Srebrenica werden immer wieder neue Massengräber gefunden - und dann von Forensikern untersucht.

(Foto: Foto: AP)

Am 6. Juli 1995 begann die bosnisch-serbische Armee mit einem Vorstoß auf die UN-Schutzzone - gegen alle Vereinbarungen. Doch eine nennenswerte Gegenwehr unterblieb - und so überrannten die Truppen bereits am 11. Juli Srebrenica und wenig später den nördlich gelegenen Nachbarort Potocari, den Standort der niederländischen UN-Truppen.

Nun sei der Zeitpunkt gekommen, "Rache an den Türken zu nehmen", kündigte der verantwortliche serbische General Ratko Mladić an - was folgte, war ein blutiges Massaker und eine großangelegte Vertreibungsaktion: Muslimische Männer im wehrfähigen Alter, aber zum Teil auch Jugendliche wurden von Frauen, Kindern und älteren Männern getrennt und dann abtransportiert. Etwa 3000 sollen es gewesen sein. Keiner von ihnen wurde jemals wiedergesehen.

Planmäßige ethnische Säuberung

Auch Tausende Menschen, die versuchten, durch die Wälder ins bosnisch kontrollierte Tuzla zu entkommen, sollen entweder direkt erschossen oder verschleppt und später niedergemetzelt worden sein. Die Muslime wurden auf zum Teil bestialische Weise umgebracht.

Vielen seien die Kehlen durchgeschnitten oder die Köpfe abgehackt worden, berichteten UN-Ermittler. Und das sind noch nicht einmal die grausamsten Folter- oder Tötungsmethoden, die UN-Soldaten und andere Augenzeugen beobachtet haben.

Eine Kette sogenannter Killing Fields, an denen die Bosniaken ermordet und mit Hilfe von schwerem Gerät oft auch gleich verscharrt wurden, zieht sich quer durch die ehemalige vermeintliche Schutzzone. Immer wieder werden neue Massengräber entdeckt, wird versucht, die Toten anhand ihrer Überreste zu identifizieren. Insgesamt wurden in Srebrenica etwa 8000 Muslime von den serbischen Truppen umgebracht.

Die verbliebenen Frauen sowie Kinder, Alte und Kranke wurden nach der Besetzung der UN-Schutzzone von den Serben vertrieben. Sie wurden in Busse verladen und im Niemandsland zwischen den Fronten ausgesetzt. Es sei nicht zu übersehen, dass diese Aktion "generalstabsmäßig und präzise geplant" sei, sagte damals ein UN-Sprecher. Zuvor wurden bosnische Frauen systematisch vergewaltigt.

Die Serben verübten in Srebrenica eine gezielte ethnische Säuberung. Sowohl der Internationale Gerichtshof wie auch das UN-Kriegsverbrechertribunal stuften das Massaker von Srebrenica als Völkermord ein. Der nun verhaftete Radovan Karadžić und sein General Ratko Mladić gelten als persönlich verantwortlich für das Verbrechen. Mladić ist weiter flüchtig.

Die Naivität der Weltgemeinschaft

Srebrenica ist jedoch nicht nur ein Synonym für Völkermord geworden, sondern steht auch für das Versagen der Weltgemeinschaft, die das Massaker nicht verhinderte. Sie sah den Vertreibungen und Ermordungen untätig zu. Die verantwortlichen niederländischen Blauhelm-Soldaten unternahmen nicht einmal den Versuch, die bosniakischen Einwohner vor den anrückenden Serben zu schützen, sondern überließen ihnen kampflos die Stadt. Im Kampf um Srebrenica haben sie nicht einen einzigen gezielten Schuss abgegeben.

Zum Teil sollen sie sogar noch mit den Schlächtern kooperiert haben. So sollen sie unter anderem bei der Selektion der wehrfähigen Männer geholfen haben - jedoch nach eigenen Angaben ohne zu wissen, dass diese getötet werden sollten.

Auch Nato-Truppen kamen den eingekesselten Menschen nicht zur Hilfe. Der UN-Beauftragte David Harland machte 1999 im Abschlussbericht zu Srebrenica die Naivität der internationalen Gemeinschaft dafür verantwortlich, dass die notwendige Hilfe unterblieben war.

Unbedarftheit nimmt auch der damalige niederländische Blauhelm-Kommandeur Tom Karreman für sich in Anspruch, wenn er auf ein Foto angesprochen wird, das ihn in den Tagen des Massakers zeigt, wie er Generals Mladic zuprostet. "Eine hervorragend geplante Militäraktion", nannte er damals das Geschehen, das als das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichte eingegangen ist.

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