Das Daphne-Projekt:Der ungesühnte Mord

Das Daphne-Projekt: Menschen in Malta gedenken der Journalistin Daphne Caruana Galizia, die am 16. Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet wurde.

Menschen in Malta gedenken der Journalistin Daphne Caruana Galizia, die am 16. Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet wurde.

(Foto: AFP)

Am 16. Oktober 2017 tötet eine Autobombe in Malta die Journalistin Daphne Caruana Galizia. Bis heute sind die Hintermänner nicht gefasst. Eine Recherche zeigt nun, wie die Ermittler Hinweise auf höchste politische Kreise ignorieren.

Von Mauritius Much, Hannes Munzinger und Bastian Obermayer

Trotz massiven politischen Drucks aus der Europäischen Union ist die maltesische Polizei auch ein halbes Jahr nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia noch immer nicht Spuren nachgegangen, die auf die Verwicklungen von Spitzenpolitikern und Behörden des Landes hindeuten. Nach Erkenntnissen der SZ wurde bisher keiner der Politiker vernommen, mit denen sich Daphne Caruana Galizia in den Monaten vor ihrem Tod erbitterte Auseinandersetzungen lieferte; sie hatte etwa im Zuge der Panama-Papers-Affäre Kabinettsmitgliedern Bestechlichkeit und moralische Verfehlungen vorgeworfen und sogar der Frau des Premiers eine heimliche Panama-Firma zugeschrieben. Inzwischen meldeten sich nach SZ-Informationen Zeugen, die Wirtschaftsminister Christian Cardona mit einem der mutmaßlichen Mörder gesehen haben wollen.

Eine Quelle mit detaillierten Kenntnissen über den Ermittlungsstand sagte, die Ermittler verfolgten unverändert die These, dass die Drahtzieher des Anschlags in der organisierten Kriminalität zu suchen seien. Die Familie der Journalistin zieht das in Zweifel, sie verweist darauf, dass Caruana Galizia kaum in diesem Bereich recherchiert habe.

Bereits sechs Wochen nach dem Mord inhaftierte die Polizei drei Tatverdächtige. Sie geht davon aus, dass es sich um Auftragsmörder handelt. Die SZ hat nun erfahren, dass die drei Männer wohl vor ihrer bevorstehenden Verhaftung gewarnt wurden. Offenbar gab es ein Leck in einer Behörde. Damit steht die Ermittlung insgesamt in keinem besonders guten Licht.

Bislang beschränkt sich die Polizei bei ihren Ermittlungen vor allem auf das Umfeld der Verhafteten

Als Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 getötet wurde, verurteilte Maltas Premier Joseph Muscat, den die Ermordete in ihren Texten hart angegriffen hatte, die Tat als "barbarischen Angriff auf die Pressefreiheit". Er werde nicht locker lassen, bis der Mord geklärt sei. Er fügte hinzu: "Wir werden jeden Stein umdrehen."

Die Polizei aber verfolgt auch nicht den brisanten Hinweis auf mögliche Kontakte von Wirtschaftsminister Cardona zu den mutmaßlichen Tätern - obwohl diese Information nach SZ-Erkenntnissen dem Ermittlungsrichter vorliegt. Caruana Galizia hatte über einen angeblichen Bordellbesuch des Ministers während einer Dienstreise nach Deutschland berichtet, er bestritt das und verklagte sie. Zeugen wollen Cardona nun mehrmals mit einem der mutmaßlichen Mörder gesehen haben.

Minister Cardona spricht von "haltlosen Gerüchten und Spekulationen". Er könne sich an kein Gespräch mit einem der Verdächtigen erinnern, es habe "definitiv keine Verabredung" mit ihnen gegeben.

Bislang beschränkt sich die Polizei bei ihren Ermittlungen vor allem auf das Umfeld der Verhafteten. Ein Expertenteam des FBI hatte aus Mobilfunkdaten Bewegungsprofile der mutmaßlichen Täter erstellt - darauf stützt sich die Ermittlung maßgeblich. Ein Verdächtiger soll die tödliche Bombe per SMS gezündet haben. Der maltesische Geheimdienst hatte dessen Telefon bereits vor dem Mord abgehört, weil er in ein anderes Verbrechen verwickelt gewesen sein soll. Keiner der Männer hat sich zu den Vorwürfen geäußert.

Diese neuen Erkenntnisse entstammen dem sogenannten Daphne Projekt, einer internationalen Recherche von 18 Medienorganisationen, geleitet von der gemeinnützigen Rechercheplattform "Forbidden Stories". Zu den Medien, mit denen die SZ kooperiert, gehören die New York Times, der Guardian, Reuters und La Repubblica, in Deutschland die Zeit, NDR und WDR.

Ein weiteres Problem für die Ermittler ist das Misstrauen der Familie der Journalistin - die so oft über staatliche Korruption in Malta berichtet hatte. Die Hinterbliebenen weigern sich, den Arbeitslaptop des Opfers der Polizei zu übergeben. "Daphne hätte ihren Laptop niemals ausgehändigt", sagte ihre Schwester der SZ, lieber hätte sie ihn in einen Brunnen geworfen. "Sie wollte immer ihre Quellen schützen." Daran wolle die Familie auch nach Caruana Galizias Tod festhalten.

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