Dalai Lama in Nürnberg:Ein bisschen Seelenfrieden

In Nürnberg sollte der Dalai Lama über Menschenrechte sprechen - doch hier sei er kein Experte, meinte er. Deswegen sprach er über inneren Frieden. Und fand so eine elegante Haltung zu dem Parteienzwist, den sein Besuch ausgelöst hatte.

Barbara Vorsamer

"Der Scheiß ist nicht mehr rückgängig zu machen" - so direkt und auch irgendwie kraftvoll regt sich SPD-Chef Kurt Beck derzeit öffentlich über das Treffen seiner Parteifreundin Heidemarie Wieczorek-Zeul mit dem Dalai Lama auf. Dass in der SPD Unfrieden wegen des Besuch des Tibeters herrscht, wäre untertrieben. Doch bei dessen Auftritt in Nürnberg spielt das Parteiengezänk nicht die geringste Rolle.

Dalai Lama in Nürnberg: Sätze, wie sie einem jede handelsübliche Psychotherapeutin erzählt - aber darum sind sie ja vielleicht nicht weniger richtig.

Sätze, wie sie einem jede handelsübliche Psychotherapeutin erzählt - aber darum sind sie ja vielleicht nicht weniger richtig.

(Foto: Fotos: dpa / rtrs)

Die Nürnberger Arena ist eine karge Betonhalle, in der normalerweise Eishockey gespielt wird. 7000 Leute passen hier rein, und die Veranstaltung ist ausverkauft. Das Publikum ist - man kann es nicht anders sagen - durchschnittlich.

Normalos im Stadion - keine Pilger

Für den Dalai Lama scheinen sich dauergewellte fränkische Mütter ebenso zu begeistern wie Zahnspangenträgerinnen, die sonst eher bei Tokio Hotel zu erwarten sind. Dieses Jahr ist der Dalai Lama eben cool. Dass er fast jedes Jahr nach Deutschland kommt und mit seinen Reden über Menschenrechte, Frieden und Meditation immer Hallen füllt, wird ja manchmal vergessen.

"Menschenrechte als Verpflichtung. Lehren aus der Geschichte" soll sein Thema sein. Doch der Dalai Lama ist von so etwas Profanem wie einem Vortragstitel nicht beeindruckt. "Bei diesem Thema bin ich kein Experte, dazu habe ich nicht viel zu sagen", sagt er bescheiden. Und schweigt diplomatisch zu den Menschenrechten. Das Oberhaupt der Tibeter: an sich herrlich unprätentiös und selbstironisch. "Manche werden meine Rede für leeres Gerede halten", beginnt er seine Ansprache. "Aber ich bin eben eingeladen worden, um zu reden, und deswegen muss ich das jetzt tun."

So sorgt er für Lacher. Ebenso, wenn er für die Fotografen posiert: "Was wollt ihr sehen?", fragt er und wirft sich mit gefalteten Händen in Pose. Oder wenn er seine Schuhe auf- und zubindet. Oder mit seiner Schirmmütze hantiert.

Nein, sich selbst nimmt der Dalai Lama nicht allzu ernst. Aber seine Themen. Er hat eine Mission und die scheint nur zu einem kleinen Teil politisch motiviert zu sein. Jedenfalls heute in Nürnberg. Er spricht also kaum über Tibet und China, wenig über Politik. Seine Themen sind innerer Friede und Harmonie.

Ausgeglichenheit auf mentaler Ebene

"Jeder will ein glückliches Leben führen", so beginnt das religiöse Oberhaupt der Tibeter seine Rede und erklärt dann, wie es zu erreichen sei. Zentral sei die Seelenruhe, die Ausgeglichenheit auf mentaler Ebene. "Die mentale Freude kann den körperlichen Schmerz überwinden", sagt der Dalai Lama. "Doch physische Freude kann mentale Defizite nicht verstecken."

Das sind Sätze, wie sie einem jede handelsübliche Psychotherapeutin erzählt - aber darum sind sie ja vielleicht nicht weniger richtig.

So trifft das Religionsoberhaupt bei seinen weltlichen Zuhörern einen Nerv, als er von einem Freund erzählt, der eine, wie der Dalai Lama es nennt, "großartige weltliche Entwicklung" durchgemacht hat. Damit meint er eine beeindruckende Karriere, Geld, Status. Doch dieser Mensch, erzählt er weiter, sei doch nicht glücklich und fühle eine große innerliche Leere.

Gegen diese innerliche Leere helfe des Menschen emotionales Immunsystem. Darunter versteht der Dalai Lama Mitgefühl und Zuneigung - nur durch diese universellen Prinzipien sei Seelenfrieden zu erreichen. Das erklärt er ausführlich mit Beispielen aus der Mensch- und Tierwelt, zum Beispiel seien kleine Äffchen bei ihrer Mutter glücklicher als getrennt von ihr. Und auch er habe seine Ausgeglichenheit und sein Mitgefühl von seiner Mutter mitbekommen.

Vom Mitgefühl zu den Menschenrechten schafft er der Tibeter dann in wenigen Minuten: "Menschenrechte, Frieden und Wohlstand basieren auf Vertrauen und Respekt", sagt er - und Vertrauen und Respekt wiederum basieren auf Mitgefühl. Eine schnelle Schlussfolgerung hin zum Vortragstitel - und "Danke, fertig!".

Kein Wort zum Konflikt zwischen China und Tibet - oder besser, fast keines. Nur kurz widmet sich der Dalai Lama diesem Thema, um auch hier Gewaltlosigkeit, Seelenfrieden und Harmonie zu betonen. Die politische Diskussion überlässt das Oberhaupt der Tibeter wie immer anderen.

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