Sicherheitskonferenz:Das Schlachtfeld der Zukunft gehört Robotern und Hackern

Turkish-backed Free Syrian Army fighters fly a drone in Northern Afrin countryside

Kämpfer der sogenannten "Türkisch unterstützten Freien Syrischen Armee", starten eine Drohne in Nordsyrien.

(Foto: REUTERS)

Die Münchner Sicherheitskonferenz diskutiert über Schwärme von Kampfrobotern, Trolle - und die Risiken der Technik für die Demokratie.

Von Matthias Kolb

Es ist nur eine kleine Übertreibung, mit der Alex Stamos das Publikum im Hotel in München begrüßt. "Herzlich willkommen bei der 537. Veranstaltung zum Thema Cyber-Sicherheit", sagt der Chief Security Officer von Facebook, der extra aus San Francisco anreiste. Schon bevor die Eilmeldung über die Anklage gegen 13 Russen wegen der Einmischung in die US-Wahl 2016 die Smartphones Hunderter Teilnehmer zum Vibrieren brachte, wurde auf den Fluren ständig über Hacker, Bots, und soziale Medien diskutiert.

Es sind nicht nur verunsicherte Politiker, die das Internet als "Schlachtfeld" bezeichnen: Die Formulierung findet sich in der Einladung zu einem Empfang mit Brad Smith, der Nummer zwei von Microsoft. Indem die Tech-Konzerne hochrangige Vertreter nach München schicken, wollen sie der Elite aus Politik, Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden signalisieren, dass sie ihre Verantwortung ernst nehmen. Der Satz "Es ist besser, miteinander zu reden als nur übereinander" fällt oft - gerade in den geheimen Hintergrundrunden, aus denen sonst nichts nach außen dringen darf.

Facebook behauptet, Gutes zu tun, wagt aber auch leise Selbstkritik

Öffentlich und per Livestream übertragen wird die Frage nach dem "Einfluss der Technik auf die Demokratie" diskutiert. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan warnt vor Fake News und plädiert dafür, soziale Medien strenger zu regulieren - wie einst Fernsehen und Radio. Er erinnert daran, dass Hacker jüngst in Indonesien und Kenia versucht hätten, Wahlergebnisse zu fälschen und fragt: "Wenn schon die USA so große Probleme haben, wie sollen sich dann ärmere Staaten schützen?"

Dieser düsteren Beschreibung widerspricht Eric Schmidt. "Wir sind außer uns vor Optimismus", sagt der frühere Google-Chef über die eigene Branche. Er schwärmt von der künstlichen Intelligenz (KI), die weltweit zu besserer Gesundheit und mehr Wohlstand führen werde. Annans Furcht vor Manipulationen teilt Schmidt nicht. Er lehnt staatliche Auflagen ab: Mehr Transparenz und ein besseres Problembewusstsein der Firmen seien genug.

Alex Stamos verteidigt die Philosophie von Facebook, möglichst vielen Menschen eine Stimme zu geben: "Denken Sie an die Women's Marches mit Millionen Teilnehmern: Diese Bewegung wurde von einer Großmutter aus Hawaii durch einen Facebook-Event gestartet." Zugleich biete die eigene Plattform auch Extremisten ein Forum. "Wir haben 2016 gesehen, was passieren kann, wenn wir nicht aktiv werden", sagt Stamos selbstkritisch. Man wisse anhand eigener Recherchen genau, dass autoritäre Regime soziale Medien missbrauchen, um das "Vertrauen in die Demokratie zu untergraben" und wolle dies verhindern. Das Unternehmen könne es sich nicht leisten, "auch nur eine Sekunde unachtsam" zu sein und werde 2018 insgesamt 10 000 zusätzliche Mitarbeiter für das Team anheuern, das sich bei Facebook um Cybersicherheit und die Kontrolle problematischer Inhalte kümmert.

Microsoft-Manager Smith betont, dass Hacker-Attacken schon heute das Leben von "normalen Menschen" bedrohen. 2017 wurde diese Verletzlichkeit unübersehbar: Das "WannaCry"-Virus führte im Mai dazu, dass in Großbritannien 19 000 Arzttermine abgesagt werden mussten, und im Juni legte die "Not Petya"-Attacke jeden fünften Computer in der Ukraine lahm und verursachte weltweit Schäden in Höhe von Hunderten Millionen Euro. Direkt vor der Sicherheitskonferenz hatten die USA, Großbritannien und Kanada in aller Öffentlichkeit Russland als Schuldigen für diesen "zerstörerischsten und teuersten Cyberangriff der Geschichte" identifiziert.

Rob Joyce, im Weißen Haus für Cyber-Sicherheit zuständig, lässt keinen Zweifel an der Entschlossenheit der USA: "Das Vorgehen war rücksichtslos, und wir werden Moskau dafür zur Rechenschaft ziehen." Microsoft-Mann Smith wirbt hingegen ständig für eine "digitale Genfer Konvention", die Staaten verpflichten soll, keine zivile Infrastruktur anzugreifen. Auf skeptische Nachfragen kontert er mit einer Frage: "Wollen wir wirklich warten, bis es zu einer Katastrophe mit Tausenden Toten kommt?"

Der Prominenz des Themas Digitalisierung schadet es nicht, dass Cyber-Sicherheit ein Milliardengeschäft und die Industrie im Hotel zahlreich vertreten ist. So unterzeichnete Siemens mit Partnern wie Allianz und Daimler eine "Charta für Cybersicherheit", in der verbindliche Standards gefordert werden. Die geschäftsführende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte zur Kooperation mit der Bundeswehr auf und diskutierte mit dem Chef der Big-Data-Firma Palantir, deren Programme viele Geheimdienste nutzen.

Sicherheit im Netz ist ein Milliardengeschäft - deshalb ist die Industrie zahlreich vertreten

Auf enormes Interesse stieß die öffentliche Diskussion über "Künstliche Intelligenz und moderne Konflikte" zum Auftakt der Tagung. Begrüßt wurden die 600 Gäste von Sophia, einer glatzköpfigen Roboterfrau mit beachtlichen Konversationsfähigkeiten. Da auch längst an einer militärischen Nutzung von KI gearbeitet wird, ist es laut Anders Fogh Rasmussen nur eine Frage der Zeit, bis "Schwärme von Robotern ein Land angreifen". Der frühere Nato-Generalsekretär rechnet damit, dass sich durch KI und Drohnen das Kampfgeschehen dramatisch beschleunigen werde und nennt die Vorteile von Robotern: "Sie können leicht verlagert werden und sie ermüden und langweilen sich nie."

Mary Wareham von Human Rights Watch betonte, wie wichtig der Unterscheidung zwischen automatisierten und autonomen Waffen sei. "Es muss immer ein Mensch dafür verantwortlich sein, dass ein anderer Mensch stirbt", sagt die Aktivistin von der "Stop Killer Robots"-Koalition, die für ein völkerrechtlich bindendes Verbot wirbt. Generalleutnant Ludwig Leinhos machte klar, dass Deutschland "keine Absicht" habe, autonome Systeme zu erwerben. Der Cyber-Inspekteur der Bundeswehr betonte aber, dass man bereit sein müsse, sich gegen den Einsatz von feindlichen Killer-Robotern zu verteidigen.

Dass solche Diskussionen auf der Sicherheitskonferenz geführt werden, ist überfällig und sie werden in den nächsten Jahren noch intensiver werden. Dies ist zumindest die Erwartung von Tim Maurer, der für den US-Thinktank "Carnegie Endowment for Peace" arbeitet. Er betont im SZ-Gespräch, dass sich westliche Staaten lange auf den Schutz kritischer Infrastruktur konzentriert hätten. "Bei den Russen und Chinesen war dies immer anders, die haben Inhalte und der Kontrolle von Informationen stets hohe Bedeutung beigemessen", sagt Maurer.

Die durch das FBI belegte Manipulationsversuche der US-Wahl 2016 habe zu einem Umdenken geführt, so der Experte, dessen Buch "Cyber Mercenaries. The State, Hackers, and Power" gerade erschienen ist. Darüber hinaus wird das bald allgegenwärtige "Internet of Things" künftig noch viel mehr Angriffsflächen für Hacker bieten - und mittlerweile verfolgen laut US-Geheimdiensten mindestens 30 Staaten Kapazitäten für einen "offensive Cyberangriff".

Twitter hat seit November 2016 wenig verändert

Auch Thomas Rid begrüßt, dass auf der Sicherheitskonferenz mehr über Technologie und Cyber-Sicherheit diskutiert. Das Hintergrundwissen der Teilnehmer verbessere sich langsam, so der Professor der Johns Hopkins University in Washington. Rid wundert sich nicht, dass Twitter keinen Vertreter nach München entsandt hat. "Bei Google, Facebook und und Microsoft haben viele Leute erkannt, dass ihre Plattformen missbraucht werden und tun etwas dagegen", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Twitter hingegen habe seit Trumps Wahlsieg nichts verbessert, sondern sei eher noch anfälliger.

Rid warnt gerade die Deutschen davor, sich über den Optimismus der Amerikaner und die Überzeugung, dass Technik der Demokratie helfen, lustig zu machen. "Der Vorwurf, dass es den Silicon-Valley-Firmen einzig und allein ums schnelle Geld und um Daten gehe, trifft nicht zu. Der Schock ist echt", sagt der Experte, dessen exzellentes Buch "Mythos Cyberwar" Ende März in der Edition Körber erscheint. Ihn stört dieser Zynismus auch, weil die Europäer nur selten überzeugende Lösungen präsentieren.

Dass etwa Ex-Google-Chef Schmidt staatliche Auflagen ablehnt, findet Rid nachvollziehbar angesichts der aktuellen politischen Entwicklung: "Der Sieg von Trump, der Erfolg der AfD und der Brexit zeigen doch, dass die Demokratie unter Druck ist." Daher sei er dagegen, Regierungen noch mehr Befugnisse zu geben. Dies könnte schlimme Folgen haben, wenn etwa ein ehemals demokratischer Staat ins Autoritäre abgleite: "Die Stasi hätte das Internet geliebt. Ich will nicht, dass Geheimdienste bei verschlüsselter Kommunikation mitlesen oder soziale Medien abdrehen können."

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