Cumhuriyet:Verhaftung von türkischen Journalisten: Mehr als ein Angriff auf die Pressefreiheit

Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar

Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar vor dem Verlagsgebäude seiner Zeitung in Istanbul.

(Foto: AFP)
  • Die beiden in der Türkei verhafteten Journalisten hatten Bilder von angeblichen Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts an den IS veröffentlicht.
  • Ankara hat die Vorwürfe bislang nicht ausräumen können. Präsident Erdoğan hat angekündigt, der verhaftete Journalist Dündar müsse "einen hohen Preis zahlen".

Von Mike Szymanski, Istanbul

Stundenlang hat Can Dündar, Chefredakteur der linksliberalen Zeitung Cumhuriyet, beim Staatsanwalt in Istanbul ausgesagt. Die Vorwürfe wiegen schwer. "Wir sind keine Verräter", verteidigte sich Dündar. "Wir sind keine Spione. Wir haben unseren Job gemacht." Dieser Donnerstag endet für ihn trotzdem in einem Fiasko. Es ist es 21.21 Uhr. Er und der Ankara-Korrespondent der Zeitung, Erdem Gül, werden verhaftet. Am Freitag kommt es zu Demonstrationen für die Freilassung der Journalisten, bei denen die Polizei Tränengas einsetzt.

Worum es ging: Wenige Tage vor der Parlamentswahl am 7. Juni hatte die Cumhuriyet Fotos und ein Video veröffentlicht, die eine Beteiligung des türkischen Geheimdienstes MIT an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien nahelegten. Das Bildmaterial zeigte Lastwagen, die im Januar 2014 auf den Weg nach Syrien gestoppt worden seien. Ihre Ladung: Angeblich Waffen für die Fanatiker vom sogenannten Islamischen Staat.

Der Fall geht über einen Angriff auf die Pressefreiheit hinaus

"Der Moment, in dem der Staat scheitert", lautete eine der Cumhuriyet-Schlagzeilen. Ein paar Tage später verlor die regierende AKP die absolute Mehrheit bei der Wahl. Sicher nicht nur deshalb. Und auch nicht für lange Zeit: Seit der Neuwahl am 1. November ist die AKP mit aller Macht zurück. Dündar und die kritische Presse bekamen das jetzt zu spüren.

Dieser Fall geht über einen Angriff auf die Pressefreiheit hinaus. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan selbst hatte Dündar angezeigt und ihm kurz nach der Veröffentlichung des Artikels gedroht, er werde "einen hohen Preis" dafür zahlen. Ihm und seinem Kollegen wird Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Spionage vorgeworfen. Die Ermittler behaupten, Erdoğans Erzfeind, der Prediger Fethullah Gülen, stecke hinter den Enthüllungen. Die Türkei hat dessen Bewegung zur Terrororganisation erklärt.

Die Regierung hat die Vorwürfe bislang nicht ausräumen können

In diesen Tagen ist aber auch noch von anderer Stelle den Türken vorgeworfen worden, die IS-Terroristen zu unterstützen. Nachdem die Armee einen russischen Kampfflieger im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen hatte, stellte Präsident Wladimir Putin die Türkei in eine Reihe mit Terrorhelfern.

Die Regierung hat Vorwürfe aus dem Artikel bisher nicht ausräumen können. Mal hieß es, es gehe die Öffentlichkeit nichts an, was in den Lastwagen stecke. Mal war von Hilfsgütern für die Rebellen die Rede, die in Syrien gegen das verhasste Assad-Regime kämpften. Gegen Islamisten im eigenen Land ging die Türkei lange nicht entschlossen vor. Jetzt erklärte Erdoğan, es komme nicht darauf an, was in den Lastern gesteckt habe. Dündar erlaubte sich derweil ein letztes Wort: Das Vorgehen der Justiz sei eine Ehrenauszeichnung.

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