CSU:Seehofer irritiert selbst Parteifreunde

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  • Bayerns Ministerpräsident Seehofer hat gesagt, in Deutschland gebe es eine "Herrschaft des Unrechts".
  • Nicht nur die Opposition, auch Mitglieder aus dem CSU-Vorstand und der CDU kritisieren die Aussage scharf.
  • Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, nannte die Äußerung "nicht glücklich". Vorstandsmitglieder zeigen sich erschrocken.

Von Nico Fried und Daniela Kuhr, Berlin/München

CSU-Chef Horst Seehofer hat mit seinem Vorwurf, in Deutschland gebe es eine "Herrschaft des Unrechts", Irritationen und Verärgerung auch in der eigenen Partei ausgelöst. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, bezeichnete die Wortwahl ihres Vorsitzenden als "nicht besonders glücklich", da sie zu Fehlinterpretationen einlade.

"Dieser Staat funktioniert"

Seehofer wies die Reaktionen auf seine Äußerungen als "abenteuerlich" und "konstruiert" zurück. Der CSU-Chef hatte mit Blick auf den Umgang mit dem Flüchtlingszustrom gesagt: "Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts." Diese Formulierung war weithin mit dem Begriff eines Unrechtsstaates, wie er zum Beispiel für die DDR benutzt wird, in Verbindung gebracht worden.

Hasselfeldt sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung aber auch, es sei Unsinn, Seehofer Geschichtsvergessenheit vorzuwerfen. Genau dieser Vorhalt wird dem CSU-Chef allerdings selbst aus der eigenen Partei gemacht, wenn auch anonym. "Ein bisschen Kenntnis in Geschichte würde ich mir schon wünschen", sagte ein Vorstandsmitglied. In Deutschland laufe zwar derzeit einiges schief, "aber von einem Unrechtsstaat sind wir noch weit entfernt".

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CSU-Chef Seehofer poltert öfter gegen die Bundeskanzlerin, doch mit der "Herrschaft des Unrechts" hat er sich verstiegen. Damit gefährdet er sogar das Profil seiner Partei.

Kommentar von Kurt Kister

Ein weiteres Vorstandsmitglied zeigte sich erschrocken. "Dieser Staat funktioniert", sagte es. Dass Seehofer solche Begriffe benutze, sei "Ausdruck seiner Verfolgungsmanie gegenüber der Bundeskanzlerin".

Seehofer widerspricht: Derlei sei "nirgendwo gesagt worden, gemeint ohnehin nicht"

Angela Merkel reagierte nicht auf die Äußerungen Seehofers. Regierungssprecher Steffen Seibert lehnte einen Kommentar ab. Lorenz Caffier, der Vorsitzende des CDU-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern, dem auch Merkel angehört, sagte, der CSU-Chef schüre Unsicherheit und Unzufriedenheit. "Herr Seehofer spielt mit seinen Äußerungen den Gegnern von Demokratie und Rechtsstaat in die Hände". Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok zeigte sich "entsetzt". Die Bundesregierung übe keine "Herrschaft des Unrechts" aus, sondern wolle in einer extrem schwierigen Lage die Voraussetzungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise schaffen. Seehofers Äußerungen nutzten nur "Gegnern unserer demokratischen Ordnung wie der AfD", sagte Brok dem Tagesspiegel.

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Nachdem er Merkels Flüchtlingspolitik als "Herrschaft des Unrechts" bezeichnet hatte, hagelt es Kritik für den CSU-Chef - aus vielen Richtungen.

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley nannte Seehofers Wortwahl völlig daneben und eine Provokation, die deutlich über das Ziel hinausschieße. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, in der Logik ihres Parteivorsitzenden seien die CSU-Bundesminister "Vollstrecker des Unrechts". Daher müssten sie die Regierung verlassen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Seehofer auf, sich bei denen zu entschuldigen, die wirklich Opfer staatlichen Unrechts seien. Die Grünen wollen nun im Bundestag über das Thema diskutieren.

Seehofer wies die Parallele zur DDR am Rande eines Besuchs an der Bahn-Unglücksstelle nahe Bad Aibling als falsch zurück. Derlei sei "nirgendwo gesagt worden, gemeint ohnehin nicht", sagte der CSU-Chef. "Wenn ich eine Meinung habe, sage ich sie, und da muss niemand interpretieren. Und was ich nicht sage, meine ich auch nicht."

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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