CSU:Riss im Machtgefüge

Auftakt Herbstklausur CSU-Landtagsfraktion

Als bayerischer Staatskanzleichef zählte Thomas Kreuzer, 57, zu Horst Seehofers engsten Mitarbeitern. Seitdem er die Fraktion führt, ist das Verhältnis abgekühlt.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Zwischen Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und der Landtagsfraktion seiner Partei gärt es schon seit Längerem. Nun hat sie der heftige Streit um die Reform der Schulreform nur noch mehr entzweit.

Von Wolfgang Wittl

Fast musste man Thomas Kreuzer bedauern. Die CSU-Landtagsfraktion hatte sich soeben für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in Bayern entschieden, da unternahm ihr Chef einen letzten Versuch der politischen Ehrenrettung. Nur weil seine Fraktion "alles kritisch hinterfragt" habe, lasse sich nun guten Gewissens sagen, dass das neue Konzept "viele Verbesserungen" bringe. Sollte heißen: Erst die Fraktion habe die Reform zu dem gemacht, was sie jetzt ist. In Wahrheit gehörte Kreuzer zu den großen Fürsprechern des G 8 und damit zu den Verlierern des Abends, wie viele andere Abgeordnete. Denn behauptet hat sich wieder mal ein anderer: Horst Seehofer, der Ministerpräsident und CSU-Chef.

Um den Riss zu verstehen, der am Mittwoch im Machtgefüge der CSU zu beobachten war, muss man das Selbstverständnis dieser Fraktion kennen: Sie begreift sich nicht einfach als eine normale Gruppe von Abgeordneten, sondern als "Herzkammer" der gesamten Partei. So hat sie sogar ihr eigenes Magazin genannt, das regelmäßig erscheint. Ein Leitspruch lautet: Die Fraktion könne "stützen und stürzen", beispielhaft demonstriert vor zehn Jahren, als sie Edmund Stoiber entgegen dessen Lebensplanung vorzeitig in den Ruhestand beförderte.

Seehofer braucht die Abgeordneten, um seine Politik im Landtag durchzusetzen. Trotzdem schert er sich wenig um die Sonderstellung, die diese für sich beanspruchen. Immer wieder prallen beide Seiten mit einer Wucht aufeinander, die man sonst nur in Streitereien mit dem politischen Gegner vermutet. Als die Fraktion unlängst eine Änderung des Kommunalwahlrechts vorschlug, die vor allem die CSU begünstigen würde, war es um Seehofers Contenance wieder mal geschehen. Er geißelte indirekt die vergessen geglaubte Arroganz der Macht, spottete über "Blindflug" und "Kindergarten". Aber vielleicht spielte auch der Ärger über einen Fragenkatalog zum Gymnasium hinein, den die Abgeordneten kurz zuvor an seine Staatsregierung geschickt hatten. Nicht einmal die Opposition bringe das besser hin, ätzte Seehofer im Kabinett. In der Fraktion war daraufhin von "Demütigung" und "Endzeitstimmung" die Rede.

Das Schema der Auseinandersetzungen wiederholt sich: Die Fraktion schlägt etwas vor, das Seehofers Politik widerspricht. Der Ministerpräsident kanzelt die Abgeordneten und ihren Chef Kreuzer öffentlich ab, die wiederum müssen sich zähneknirschend fügen. Durch Charmeoffensiven gelingt es Seehofer zwar, den Streit wieder zu bereinigen. Doch jedes Mal werden die Verwundungen tiefer.

Zwei Dinge schützen Seehofer davor, dass es zum Äußersten kommt: das Trauma von Stoibers Sturz, nach dem die CSU die absolute Mehrheit verlor - und seine Bilanz. "Entscheidend ist immer der Erfolg", sagt er. Man könne ihn ja "köpfen", wenn die Wahlen schiefgingen. Am Mittwoch sagte er: "Dann könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt." Es wäre nicht überraschend, wenn die Fraktion eines Tages auf das Angebot zurückkäme.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: