CSU-Plan für das Betreuungsgeld:Ein Geldgeschenk, direkt aus Absurdistan

Einige nennen es "Herdprämie", andere schlicht: Unsinn. Das von der CSU in der schwarz-gelben Koalition durchgedrückte Betreuungsgeld droht unqualifizierte Tagesmütter zu fördern. Es soll bar ausgezahlt werden, was falsche Anreize setzen könnte. Und zu allem Überfluss ist unklar, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Klagen sind programmiert.

Thorsten Denkler, Berlin

Wenn kollektives An-den-Kopf-Fassen helfen würde, das Betreuungsgeld zu verhindern, dann bildeten sich wohl umgehend bundesweit Flashmobs von Menschen aller Generationen, die nichts anderes mehr täten, als sich den ganzen Tag an den Kopf zu fassen.

Kinderbetreuung Kitas Krippenplätze

Kinder liegen in einer Kinderkrippe in Freiburg während eines Singspieles auf dem Boden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der CSU ist das egal. Sie besteht auf dem Betreuungsgeld. Jetzt hat sie es bekommen. Am vergangenen Sonntag beim Koalitionsgipfel hat sich Horst Seehofer mit dieser irrwitzigen Idee durchgesetzt. Ab jetzt geht es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Und da zeigt sich: Die Sache mit dem Betreuungsgeld ist viel schlimmer als bisher gedacht.

Schon die Grundsatzfrage ist juristisches Neuland. Mit dem Betreuungsgeld gäbe es eine staatliche Leistung dafür, eine andere staatliche Leistung links liegen zu lassen. Oder, um es mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zu sagen: Das Betreuungsgeld sollen Eltern bekommen, die "bereit sind, keine staatliche Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen".

Das wäre so, als würde jeder einen Einkaufsgutschein bekommen, der NICHT mit dem Bus oder der Bahn in die Stadt fährt. Oder Kinokarten für jeden, der nachgewiesenermaßen seine Freizeit NICHT im städtischen Schwimmbad verbringt.

Was das Grundgesetz sagt

Eine wackelige Rechtskonstruktion soll da Abhilfe schaffen. Das Geld soll jenen gegeben werden, die dafür auf Einkommen und Karriere verzichten, heißt es aus der CSU. Das aber wären vor allem Mütter. Was sofort verfassungsrechtliche Fragen aufwirft.

Der Staat soll Ehe und Familie fördern. So steht es im Grundgesetz. Es unterscheidet aber nicht zwischen Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, und Familien, die ihre Kinder in staatlich geförderte Betreuung geben. Hier gibt es eine Pflicht zu Nichteinmischung in die private Familiengestaltung, die mit dem Betreuungsgeld verletzt wird, schreibt Margarete Schuler-Harms, Professorin für öffentliches Recht an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, in einem Gutachten zum Betreuungsgeld.

Zudem sind Männer und Frauen laut Grundgesetz gleichberechtigt. Ein finanzieller Anreiz, wegen der Kinder zu Hause zu bleiben, widerspricht dem. In der Regel nämlich werden Mütter zu Hause bleiben und auf die berufliche Karriere verzichten. Damit manifestiert das Betreuungsgeld - ob gewollt oder nicht - die männliche Dominanz im Berufsleben.

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer, Ko-Generalsekretärin Dorothee Bär und die anderen Betreuungsgeld-Ideologen der CSU argumentieren jetzt, die Unterstützung werde ja auch ausgezahlt, wenn beide Eltern arbeiten. Sie dürften ihr Kind nur nicht in eine staatliche Krippe geben. Eine Tagesmutter allerdings, das wäre in Ordnung.

Mal abgesehen davon, dass damit die Grundidee des Betreuungsgeldes - familiäre Bindung über alles - komplett auf den Kopf gestellt wird: Wo bitte ist der Unterschied zwischen einer staatlich geförderten Tagesmutter und einer staatlich geförderten Kita? Nach dem Sozialgesetzbuch VIII gibt es keinen. Alle Einrichtungen der Tagespflege sind vor dem Gesetz gleich.

Eine Frage der Ausbildung

Es wird schwerlich zu begründen sein, weshalb berufstätige Eltern Betreuungsgeld bekommen sollen, wenn sie ihr Kind morgens zur Tagesmutter bringen und abends wieder abholen. Jene Eltern sollen nach den Plänen der Koalition aber leer ausgehen, die ihre Kleinen morgens in die Krippe geben und meist schon - wegen der rückständigen Öffnungszeiten - mittags wieder einsammeln müssen. Klagen auf Gleichbehandlung sind da programmiert.

Christine Haderthauer

Sie setzen sich für das Betreuungsgeld ein: Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer und Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU).

(Foto: dpa)

Noch unverständlicher wird das Konzept dadurch, dass sich jeder zur Tagesmutter weiterbilden lassen darf. Es reicht ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Schufa-Auskunft, schon kann es nach ein paar Wochen Fortbildung losgehen.

Keine Frage, viele Tagesmütter machen einen guten Job. Aber in den staatlichen Einrichtungen wird inzwischen debattiert, ob die zweijährige Erzieherinnen-Ausbildung reicht, um den heutigen Anforderungen an eine gute Betreuung noch gerecht zu werden. Manche verlangen mindestens ein Fachhochschulstudium. Und was macht die CSU? Sie will Tagesmütter fördern, die nicht mal einen Schulabschluss vorweisen müssen.

Das legt den Verdacht nahe, dass es einen viel handfesteren Grund für das Betreuungsgeld geben könnte. Auch Bayern hinkt beim Ausbau der Kleinkinderbetreuung weit hinterher. Tagesmütter sind da eine billige Alternative. Bis jetzt gibt es davon allerdings wegen der schlechten Bezahlung noch zu wenige. Aber wenn neben den staatlichen Zuschüssen pro Kind noch 150 Euro im Monat dazukommen, dann könnte sich das Geschäft lohnen. Bei maximal fünf Kindern pro Tagesmutter wären das monatlich immerhin 750 Euro extra.

Zu allem Überfluss scheint die CSU auch noch darauf zu bestehen, dass das Betreuungsgeld als Barleistung ausgezahlt wird. Was dann die Eltern damit machen, ist ihr Bier. Soll ja schließlich im Kern eine Anerkennung der privaten Erziehungsleistung sein. Hartz-IV-Eltern werden davon jedoch wohl ausgenommen. Offenbar ist deren Erziehungsleistung nicht anerkennenswert.

Die Barauszahlung wirft ein weiteres Problem auf. Es gibt genug Kinder in Deutschland, für die eine staatlich geförderte Betreuung ein Segen wäre. Deren Eltern aber würden ihre Kinder wohl auch nicht in die Krippe geben, wenn sie einfach so 150 Euro bar in die Hand bekommen.

Wenn schon, dann wäre ein Gutschein-Modell die bessere Lösung. Wer sein Kind zu Hause lassen muss, weil er sich die Kita-Gebühren nicht leisten kann, der würde mit dem Gutschein einen echten Anreiz bekommen, seinem Kind etwas Gutes zu tun.

Im Grunde aber sind sich alle Experten einig: Solange es der Staat kaum schafft, die große Nachfrage nach Betreuungsplätzen zu befriedigen und nicht mal das Versprechen einhält, bis 2013 eine Betreuungsquote von 35 Prozent zu garantieren, so lange ist es mit der Wahlfreiheit in diesem Land ohnehin schlecht bestellt. Die meisten Mütter müssen in den ersten Jahren zu Hause bleiben, ob sie es wollen oder nicht. Könnten sie es sich aussuchen, 150 Euro im Monat auf die Hand oder einen guten Betreuungsplatz für ihre Kleinsten mit bestqualifiziertem Personal - die Entscheidung wäre schnell getroffen.

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