CSU-Landesgruppenchef Friedrich im Gespräch:"Zuwanderung auf Halde"

CSU-Landesgruppenchef Friedrich pocht auf bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt - erst für Deutsche, dann für Europäer. Zuwanderer aus anderen Ländern sollen sich hinten anstellen.

Stefan Braun

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition streitet weiter über die Forderung nach mehr Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich warnt vor einem Mehr an Zuwanderung - und verlangt einen größeren Einsatz für die Aus- und Fortbildung junger und älterer Arbeitnehmer sowie weniger befristete Job-Verhältnisse.

CSU-Klausurtagung

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich warnt vor mehr Zuwanderung.

(Foto: ag.ddp)

SZ: Die CSU ist immer so stolz auf Bayern, seine Wirtschaftskraft und seine modernen Unternehmen. Nur bei deren Wünschen nach mehr Zuwanderung stellt sich die CSU taub. Es lebe der alte Reflex gegen das Fremde?

Friedrich: Einen solchen Reflex gibt es nicht, sondern wir lassen uns von politischen Notwendigkeiten leiten. Eine Volkswirtschaft muss zuallererst ihr vorhandenes Potential ausschöpfen. Deshalb wollen wir Zuwanderung nur, wenn es um konkrete Arbeitsplätze geht, für die keine Inländer zur Verfügung stehen. Folglich sprechen wir uns rigoros gegen ein Punktesystem aus. Zuwanderung, losgelöst von einem konkreten Arbeitsangebot, würde zu Fehlentwicklungen führen, zu einer Zuwanderung "auf Halde".

SZ: Trotzdem erklären auch Unternehmen in Bayern, sie bräuchten dringend die Zuwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften. Reden die Unsinn?

Friedrich: Tatsache ist: in fast allen der Berufe, für die jetzt von einem Fachkräftemangel gesprochen wird, gibt es in Deutschland noch immer mehr Arbeitslose als offene Stellen. Wir freuen uns, dass trotz Wirtschaftskrise die Beschäftigtenzahlen gestiegen sind und die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Noch immer aber sind fast drei Millionen Menschen ohne Arbeit, übrigens Tausende von Ingenieuren, von denen wir angeblich zu wenig haben. Grundsätzlich gilt: Fachkräftemangel in Deutschland lässt sich nur dadurch vermeiden, dass wir unsere jungen Leute gut genug ausbilden und die älteren noch besser fortbilden.

SZ: Was muss davor geschehen? Was müssen die Unternehmen leisten?

Friedrich: Bereits heute können die Unternehmen jede Arbeitskraft nach Deutschland holen, für die sie keinen geeigneten Mitarbeiter im Inland finden. Allerdings steht an erster Stelle die Ausbildung unserer eigenen jungen Leute; mit dem Ausbildungspakt haben wir da schon viel erreicht. Trotzdem gibt es erheblichen Nachholbedarf. Und das gilt auch für die Fortbildung älterer Arbeitnehmer. Die notwendigen Bemühungen durch die Wirtschaft können wir nicht dadurch ersetzen, dass wir die Schleusen aufmachen und die Beschäftigungschancen unserer eigenen Leute verringern.

SZ: Müssen erst alle prekären Arbeitsverhältnisse vor allem bei jungen Fachkräften und Ingenieuren beendet werden, bevor Sie einem Mehr an Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zustimmen?

Friedrich: Richtig ist: Mit der besseren Arbeitsmarktlage sollen bessere Chancen auch für Menschen verbunden sein, die bisher vergeblich ihre Chance am Arbeitsmarkt gesucht haben. Die CSU will Lohndumping wirksam verhindern. Die tariflichen Mindestlöhne, die in Deutschland gelten, müssen auch auf die osteuropäischen Arbeitnehmer angewendet werden, die nach dem 1. Mai zu uns kommen. Die Unternehmen müssen aber auch dafür sorgen, dass befristete Verträge für junge Arbeitnehmer nicht die Regel werden. Mit Ein-Jahres- oder Zwei-Jahres-Verträgen entsteht keine Bindung an ein Unternehmen, keine Identifikation, aber eben auch keine Sicherheit für den Arbeitnehmer. Das hat Auswirkungen bis hin zur Familienplanung. Die Unternehmen müssen sich ihrer gesellschaftlichen Gesamtverantwortung bewusst sein - der Mittelstand ist hier Vorbild.

SZ: Was muss sich im Umgang mit älteren Ingenieuren und Fachkräften ändern, bis Sie einer neuen Zuwanderungsregelung zustimmen könnten?

Friedrich: Nicht allein der Staat ist verantwortlich für das Fachkräftepotential. Die lebenslange Qualifizierung von Beschäftigten ist notwendiger denn je. Ältere Beschäftigte verfügen über umfassendes Fach- und Erfahrungswissen. Es geht aber auch darum, dass die Wirtschaft sehr viel stärker als bislang erkennt, welches Potential im europäischen Arbeitsmarkt steckt. Derzeit sind in den 25 EU-Staaten, in denen wir ab 1.Mai 2010 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit haben, mehr als 22 Millionen Menschen arbeitslos, davon drei Millionen Akademiker. Offene Stellen müssen verstärkt mit Arbeitnehmern des gesamteuropäischen Arbeitsmarktes besetzt werden, bevor wieder der Ruf nach weltweiter Zuwanderung kommt.

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