CSU kontra CDU:Seehofer provoziert schon wieder die Kanzlerin

Die CSU will im Europawahlkampf Volksentscheide fordern - und ignoriert damit alle Bedenken der Schwesterpartei.

Stefan Braun, Berlin

Getrennt antreten, gemeinsam kämpfen - ein Slogan, mit dem Politiker versuchen, harte Konflikte hinter weichen Sprüchen zu verbergen. Es ist auch der Slogan, mit dem CDU und CSU im Frühjahr erklären werden, warum sie mit unterschiedlichen Programmen in den Europawahlkampf ziehen.

CSU kontra CDU: Schwierige Partner: CDU-Chefin Merkel und der CSU-Vorsitzende Seehofer

Schwierige Partner: CDU-Chefin Merkel und der CSU-Vorsitzende Seehofer

(Foto: Foto: Getty)

Es soll wie eine Selbstverständlichkeit wirken. Tatsächlich aber könnte dieser Wahlkampf tiefe Gräben zwischen den beiden Parteien aufreißen. Denn die bayerische Seite hat sich ein Thema ausgedacht, das ihre Schwester massiv ablehnt: Sie will mit dem Thema Volksentscheid die Menschen an die Wahlurnen locken.

Zunächst hieß es noch aus München, man überlege "nur", ob man einsteigen werde. Jetzt gilt als sicher, dass Horst Seehofer Volksentscheide ins Zentrum der Europawahl am 7. Juni stellen dürfte.

Bei seinem Auftritt an diesem Aschermittwoch in Passau möchte der CSU-Vorsitzende diese Botschaft versenden. Und damit zeigt er unmissverständlich, was ihm die Bedenken aus der CDU bedeuten: gar nichts. "Wir sind fest entschlossen, wir werden das machen", heißt es aus der CSU-Parteizentrale.

Damit können die Christdemokraten ein weiteres Mal lernen, was die Botschaften von der neuen Geschlossenheit, die Seehofer erst vor wenigen Tagen ausrief, wert sind: wenig. Zweimal seit Jahresbeginn traf sich die Führung von CDU und CSU im Kanzleramt, um Frieden zu schließen.

Zweimal schwor man sich auf eine gemeinsame Linie ein, im Spiegel sagte Seehofer, eine "Epoche der Gemeinsamkeit" sei angebrochen. Doch das Thema Volksentscheid könnte die neue Harmonie ganz schnell wieder beenden.

Dass das so ist, weiß Seehofer im Grundsatz schon lange. Besonders intensiv erlebte er es bei seinem Besuch im CDU-Bundesvorstand Anfang des Jahres in Erfurt.

Im Widerspruch zu grundsätzlichen Unionsüberzeugungen

Kaum hatte der CSU-Chef sein Grußwort gesprochen, stürzten sich der CDU-Spitzenkandidat Hans-Gert Pöttering, Bundestagspräsident Norbert Lammert und der Merkel-Vertraute Peter Hintze auf Seehofer, er möge doch bitteschön ablassen von derlei Ideen. Alle drei argumentierten, Volksentscheide widersprächen den grundsätzlichen Überzeugungen der Union.

Nichts von den großen Errungenschaften wie der Europäischen Union, der Ost-Erweiterung oder auch dem Euro hätte es mit Volksentscheiden gegeben, hieß es in Erfurt unisono.

Hintze ergänzte noch, dass politische Verantwortung nicht darin bestehe, "niedrige Instinkte zu wecken", wie ein Teilnehmer Hintzes Botschaft im Rückblick beschreibt.

Seehofer provoziert schon wieder die Kanzlerin

Und auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble betonte nach Berichten von Vorstandsmitgliedern, dass es stets die Union gewesen sei, die sich "aus guten Gründen" gegen derlei Forderungen gewandt habe. Man müsse den Menschen die EU besser erklären. Aber mit simplen Ja-Nein-Plebisziten sei gute Europapolitik nicht zu machen.

Die Botschaft der CDU also war eindeutig. Seehofers Botschaft dagegen zweideutig. Das jedenfalls sagen viele in der CDU-Führung und berichten, dass er um Geduld bat, dass er der Debatte in seiner Partei erst mal Raum lasse, am Ende aber wisse, was zu tun sei.

"Er hat uns suggeriert, dass nichts entschieden sei - und ist so einer inhaltlichen Diskussion ausgewichen", schimpft ein CDU-Präsidiumsmitglied heute.

Merkels Machtlosigkeit

Bei der CSU wird dem natürlich widersprochen. Nichts sei unklar gewesen, heißt es. Eine "selektive Wahrnehmung" sei das, wenn Christdemokraten heute anderes behaupteten. "Wir wollen das debattieren, und wir werden das debattieren", habe Seehofer alle wissen lassen.

Außerdem habe er an das Diktum von Franz Josef Strauß erinnert, dass für eine Partei nichts schlimmer sei als Friedhofsruhe. Seehofer, das zeigt er, hält sich an die Warnungen des Übervaters.

Angela Merkel aber kann das nicht gefallen. In Erfurt hat sie über Seehofers Pläne noch gelästert und unter Gelächter erklärt, man könne dann das Volk ja auch über die Milchquote abstimmen lassen.

Eigentlich aber ist ihr nicht zum Lachen zumute. Als sie im Sommer 2008 in Brüssel um die Zukunft des neuen EU-Vertrages kämpfte, warb sie in einem abendlichen Hintergrundgespräch vehement für eine repräsentative Demokratie mit echten Volksvertretern.

Deutlicher hätte der Unterschied zu Seehofer kaum sein können. Und deutlicher könnte jetzt auch ihre Machtlosigkeit gegenüber dem CSU-Chef nicht zutage treten - wenige Monate, bevor sie im Bundestagswahlkampf doch so stark sein möchte.

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