CSU:In der Transitzone

Lesezeit: 3 min

Seehofer hat über Wochen lautstark Forderungen gestellt. Weil nicht alle erfüllt wurden, verkauft er den Kompromiss als Erfolg.

Von Robert Roßmann

Wie unterschiedlich der Blick auf die Welt sein kann, hat sich am Freitag mal wieder gezeigt. Da verbreitete der SPD-Bundesvorstand auf allen Kanälen, die Sozialdemokraten hätten sich im Streit mit der Union um die richtige Flüchtlingspolitik "voll durchgesetzt". Gleichzeitig verschickte das "Forum Demokratische Linke" der SPD aber eine Erklärung, die genau das Gegenteil behauptete. Der Beschluss der drei Parteichefs vom Donnerstag sei "fatal", sagte Forums-Chefin Hilde Mattheis. Er enthalte unmenschliche, integrationshemmende, zynische und möglicherweise verfassungswidrige Vorschläge. Die CSU habe die große Koalition mit ihren Forderungen "in eine Unwillkommenskultur gedrängt". Na was nun?

Am Freitag war das politische Berlin auch außerhalb der SPD und ihres ziemlich sektiererischen Forums damit beschäftigt zu interpretieren, wer bei dem Treffen der Parteichefs am besten abgeschnitten hat. Die Kanzlerin hielt sich zurück, als Regierungschefin kann Angela Merkel schon damit zufrieden sein, dass es überhaupt einen Kompromiss gibt. SPD und CSU lieferten sich dafür umso heftigere Auseinandersetzungen um die Deutung. In der Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion am Morgen spottete Fraktionschef Thomas Oppermann, Horst Seehofer sei als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet. SPD-Vize Ralf Stegner twitterte, der CSU-Chef sei "mit seinen Krawallvorschlägen krachend gescheitert". Das konnte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer natürlich nicht so stehen lassen, er kämpfte wie wild gegen solche Deutungen an.

Und Seehofer? Der saß derweil demonstrativ gelassen im Bundesrat. Der CSU-Chef ist ein alter Haudegen, Wolfgang Schäuble und er sind die wichtigsten politischen Überlebenden einer Zeit, in der die Bundesrepublik noch Westdeutschland war. Seehofer saß schon im Bundestag, als Helmut Schmidt Kanzler war. So jemand weiß, wie man auftreten muss, um auch als Sieger zu erscheinen, wenn man Federn gelassen hat.

Mit was hatte Seehofer vor den Treffen der Parteichefs nicht alles gedroht. Sogar eine Verfassungsklage gegen die eigene Bundesregierung hatte er ins Spiel gebracht. Seehofer hatte nicht einmal einen Bericht dementieren lassen, wonach er den Rückzug der CSU-Minister aus der Bundesregierung erwäge, wenn keine wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingszahl beschlossen werden. Im Mittelpunkt von Seehofers Drängen standen dabei die Transitzonen. Die wird es jetzt aber nur in einer Light-Variante geben. Ist der CSU-Chef also der Verlierer?

Man muss eben ordentlich auf den Putz hauen, um in Berlin etwas herauszuholen

Wenn man die lauten Töne Seehofers vor den Treffen mit den Ergebnissen danach vergleicht, ist das sicher so. Wer vorher dermaßen laut trommelt, muss anschließend mit mehr nach Hause kommen.

Seehofer will eine solche Betrachtung aber nicht gelten lassen. Die CSU sei nun mal deutlich kleiner als die CDU oder die SPD, sagt er. Die Christsozialen hätten deshalb schon immer ordentlich auf den Putz hauen müssen, um in Berlin etwas durchzusetzen. Aus Barmherzigkeit bekomme man in der Politik nichts geschenkt - schon gar nicht, wenn man es mit einer starken Kanzlerin und der SPD zu tun habe.

Seehofer ist deshalb trotzdem ziemlich zufrieden. Es würden jetzt die schärfsten Asyl-Regeln eingeführt, die es jemals in Deutschland gab - und zwar mit Zustimmung der SPD. Das hätte man sich doch vor Kurzem noch gar nicht vorstellen können. Der Beschluss der Parteichefs sei "sehr, sehr gut", sagt Seehofer. Jetzt müsse er allerdings auch umgesetzt werden.

Seit dem Scheitern des ersten Treffens der Vorsitzenden am Sonntag hatten sich Union und SPD auf mehreren Ebenen um eine Lösung des Streits bemüht. Wegen des harten Widerstands der SPD gegen eine Festsetzung von Flüchtlingen in den neuen Aufnahme-Einrichtungen war klar, dass die Union ihr Transitzonen-Modell nicht durchsetzen kann. Im Referentenentwurf des von Thomas de Maizière (CDU) geführten Innenministeriums war eine Inhaftierung der Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive vorgesehen. Seehofer selbst hatte diese Forderung allerdings nicht explizit erhoben.

Er weist deshalb nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass der Verzicht auf "Haftzonen" keine Niederlage für ihn sei. Ihm sei es lediglich darum gegangen sicherzustellen, dass die Flüchtlinge sich nicht dauerhaft aus der Einrichtung entfernen, damit die Verfahren - und nötigenfalls die Abschiebungen - schnell erledigt werden können. Dies sei durch die verschärfte Residenzpflicht, auf die man sich geeinigt habe, gewährleistet.

Auch die Umfragen scheint Seehofer derzeit nicht fürchten zu müssen. Im neuen Deutschlandtrend hat er bei der Frage nach der Zufriedenheit Merkel fast eingeholt. Im September lag er noch 35 Prozentpunkte hinter der Kanzlerin.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: