Streit in der Koalition:Die CSU versprüht das Gift der einfachen Lösungen

Gedenken an die Sendlinger Mordweihnacht

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Obwohl es nichts bringt, fordert die CSU jetzt eine elektronische Fußfessel für islamistische Gefährder. Sinnvoller wäre eine Mundfessel für kraftprotzende Funktionäre aus Bayern.

Kommentar von Heribert Prantl

Die CSU will den islamistischen Terrorismus künftig mit elektronischen Fußfesseln bekämpfen, die sogenannten Gefährdern angelegt werden sollen. Der Vorschlag fügt sich ein in die Kreuther Kaskade der Kraftprotzerei, mit der die CSU den politischen Jahresauftakt zu prägen versucht.

Dazu gehört nun auch die höchst plakative Forderung von Parteichef Horst Seehofer, die deutschen Grenzen beim zweihunderttausendsten Flüchtling dichtzumachen; dazu gehörte kurz zuvor die markige Ankündigung, Flüchtlinge ohne gültige Papiere an der Grenze abzuweisen.

Eine Partei, die auf Recht und Ordnung Wert legt, weiß, dass sie damit gegen Recht und Ordnung verstößt: gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das geltende deutsche Asylgrundrecht. Die CSU weiß auch, dass sie mit der knappest bezifferten Flüchtlingsobergrenze (die schon im Frühjahr erreicht sein dürfte) der Kanzlerin schon wieder den Fehdehandschuh vor die Füße wirft; sie tut es mit populistisch-diabolischer Lust.

Dass die CSU dem Fraktions- und Koalitionsfrieden schadet, wäre verkraftbar. Aber sie schadet vor allem dem inneren Frieden in Deutschland. Die CSU lockt mit dem Gift der vermeintlich einfachen Lösung: Obergrenze erreicht, Klappe zu, Probleme erledigt. Das ist gefährlich, das ist unverantwortlich, das ist ein Fehler. Die CSU schürt eine Stimmung der aggressiven Überforderung. Seehofer sorgt mit immer neuen Anti-Flüchtlings-Sticheleien dafür, dass das "Ja" zum Flüchtlingsschutz kleiner und das "Aber" dahinter immer größer wird. Das macht die Integrationsaufgaben, die vor der deutschen Gesellschaft liegen, noch schwieriger.

Rechtsstaatsgefährliche Kracher aus Bayern

Grenzen schließen, Flüchtlinge traktieren: Solche rechtsstaatsgefährlichen Kracher passen eher zur polnischen Partei Pis als zu einer Partei, die einst mit an der Wiege des europäischen Projekts stand. Aber das kümmert die CSU nicht, solange sie damit in der ereignisarmen Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig in allen Nachrichten vertreten ist. Wenn eine andere seriöse Partei in Deutschland in so kurzer Zeit so viel Zeugs von sich gäbe - die CSU würde beantragen, ihr zu Prävention eine elektronische Mundfessel anzulegen.

Eine Fußfessel sollen laut CSU "verurteilte Gefährder" tragen müssen. Solche Personen gibt es nicht. Entweder die Islamisten sind verurteilt; dann sind sie nicht Gefährder, sondern Straftäter und gehören nicht mit einer Fußfessel nach Hause geschickt, sondern hinter Schloss und Riegel gesperrt. Wenn sie keine Straftat begangen haben, aber als gefährlich eingestuft werden, wäre die Fußfessel eine vorweggenommene Strafe, die erstens rechtsstaatlich bedenklich ist und zweitens praktisch kaum etwas bringt. Sie hindert Gefährder an nichts; sie sendet nur ein Signal an eine Überwachungsstelle, dass der Mensch, an dem das elektronische Gerät befestigt ist, den ihm zugewiesenen räumlichen Bereich verlassen hat.

Si tacuisses, CSU. Den Bereich politischer Seriosität verlässt die CSU jeweils pünktlich zum Jahreswechsel.

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