CSU bei der Landtagswahl:Ohne Plan

Landtagswahl Bayern

Horst Seehofer bei der Stimmabgabe in Ingolstadt am Sonntagmorgen: Unter seiner Alleinherrschaft ist die CSU wieder erfolgreicher geworden.

(Foto: dpa)

Selten zuvor war ein Landesherr in Bayern so mächtig wie Horst Seehofer. Die CSU ist unter seiner Alleinherrschaft zwar erfolgreicher geworden, programmatisch und personell hat sie aber wenig zu bieten. Zum Glück kann sich die Partei im Zweifelsfall ganz auf die bayerische SPD verlassen. Dabei steht für die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl mindestens so viel auf dem Spiel wie für die CSU.

Ein Kommentar von Sebastian Beck

Umglänzt vom Spätsommerlicht und mild wie ein Großonkel, so lächelt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in diesen Tagen von den Wahlplakaten der CSU. Fast möchte man meinen, es habe den 28. September 2008 nie gegeben: Fünf Jahre ist es nun her, dass zwei ältere Herren durch den Landtag in München schlichen wie Unternehmer nach der Pleite. Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber verkörperten im Herbst 2008 geradezu bildhaft das Ende einer Ära. Mit hängenden Schultern versuchten sie die Wahlkatastrophe zu erklären. Selbst im Niedergang gab sich die CSU damals maßlos: Minus 17,3 Prozent im Vergleich zur Landtagswahl 2003, ein Sturz von 60,7 auf 43,4 Prozent - auch das musste ihr erst einmal wer nachmachen.

Fünf Jahre nach diesem beispiellosen Desaster deuten die Umfragen auf ein Comeback der Partei hin: Es ist aber nicht die alte Strauß-Stoiber-CSU, die zurückkommt, jene Partei der Amigos und des Modernisierungswahns, sondern eine Facebook-kompatible Wahlvereinigung, politisch flexibel bis hin zur Beliebigkeit und vor allem ganz auf einen einzigen Mann ausgerichtet: Horst Seehofer. Noch sind viele Wähler in Bayern unentschieden, doch falls die CSU nach diesem Wahlsonntag tatsächlich wieder alleine regieren kann, dann wird es Seehofer sein, der ganz alleine regiert.

Der Ministerpräsident ist vom Insolvenzverwalter der CSU zu einer Art demokratisch legitimiertem Monarchen aufgestiegen. Selten zuvor war ein Landesherr in Bayern so mächtig wie er: Partei und Regierung haben sich ihrem Retter Seehofer geradezu bedingungslos unterworfen. Dafür sehen sie ihm all seine Unarten nach: Mit sarkastischem Grinsen schurigelt Seehofer Freunde und Gegner, wenn er scherzt, wird es für andere gefährlich. Er zieht gerne mal öffentlich über seine Minister her, und erst im April genügte wieder nur ein Wink und schon trat CSU-Fraktionschef Georg Schmid zurück. Selbst die Koalitionspartner von der FDP erweckten meist den Eindruck, als seien sie einfach nur froh darüber, dass sie unter König Horst I. ein bisschen mitregieren durften.

Eine abermalige Alleinregierung der CSU wäre freilich allein schon wegen der Landtagsaffäre um die Beschäftigung von Verwandten unverdient. Sie wäre auch deshalb kurios, weil sich eine stabile Mehrheit der Bayern dagegen ausspricht. Den Menschen sind die letzten Jahre unter Edmund Stoiber in schlechter Erinnerung. Angetrieben von übermäßigem Ehrgeiz, Pedanterie und einer Zweidrittelmehrheit der Mandate wollte Stoiber das Land nach dem Wahlsieg 2003 in ein politisches Profitcenter der CSU umbauen. Er kürzte, sparte, reformierte auf rücksichtslose Weise und führte die Partei so in den Untergang.

Sein bester Ratgeber ist der Machtinstinkt

Seehofer machte es in der vergangenen Legislaturperiode genau anders herum: Er verzichtete auf jegliche Vision und horchte dafür umso genauer auf die Stimmungen im Land. Im Gegensatz zu Stoiber kann Alleinherrscher Seehofer Einflüsterer und Hofschranzen nicht leiden. Sein bester Ratgeber ist der Machtinstinkt. Auf ihn konnte er sich bisher voll verlassen. Deshalb verabschiedete sich die Staatsregierung vom umstrittenen Donauausbau mit Staustufen, deshalb verzichtet Bayern wieder auf Studiengebühren.

Seehofer machte aus der CSU quasi über Nacht eine Anti-Atom-Partei, er streitet mal für und gegen Windkraft, wie es ihm gerade opportun erscheint. Die Freilassung des Psychiatrie-Patienten Gustl Mollath kurz vor der Wahl geht zumindest indirekt auf seinen Einfluss zurück. Selbst das Betreuungsgeld verteidigt Seehofer weniger aus Prinzipientreue, sondern weil es die konservative Klientel der CSU eben so will. Das gilt auch für seinen so ernsthaft vorgetragenen Klamauk um die Pkw-Maut für Ausländer.

Anderen lässt die Seehofer'sche Ein-Mann-Regierung wenig übrig - weder der Opposition im Landtag noch den eigenen Gefolgsleuten in der CSU. In seinem Schatten gedeihen nur schwache Pflänzchen, und seitdem sich der Aufsteiger Karl-Theodor zu Guttenberg als Blender erwiesen hat, braucht der Ministerpräsident keine Konkurrenz mehr zu fürchten. Musste sich Stoiber wenigstens noch mit dem nöligen CSU-Fraktionschef Alois Glück und ein paar allzu eigenständigen Ministern herumschlagen, so regiert in München nun das angepasste Mittelmaß.

Kein Gegenspieler in Sicht

Einige Kabinettsmitglieder sind zudem wie Schmid in die Verwandtenaffäre verwickelt, was ihre Position weiter schwächt. Ein Gegenspieler zu Seehofer ist nirgends in Sicht, obwohl die CSU dringend einen brauchen könnte. Dem bayerischen Finanzminister Markus Söder fehlt dazu der Rückhalt in der Partei, und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, die Seehofer nach München lockte, wird schon aus Dankbarkeit wenig Widerworte geben. Die CSU ist unter der Alleinherrschaft Seehofers zwar erfolgreicher geworden, aber programmatisch und personell hat sie wenig zu bieten.

Zum Glück kann sich die Partei im Zweifelsfall ganz auf die bayerische SPD verlassen. Den Absturz der CSU bei der Wahl 2008 konterten die Sozialdemokraten mit ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1946: 18,6 Prozent. Insofern kann man den Wahlspruch ihres Spitzenkandidaten Christian Ude auch anders herum interpretieren: "Jetzt ist alles drin" - das heißt, es könnte für die SPD am Sonntag sogar noch weiter nach unten gehen. Alles über 20 Prozent wäre schon ein Erfolg, doch für einen Machtwechsel ist das zu wenig.

Die SPD hat Ude, ihren besten Mann in Bayern, fünf Jahre zu spät in den Wahlkampf geschickt. Er selbst hat sich zu lange geziert, weil er mit den chronischen Verlierern nichts zu tun haben wollte. Dabei hätte er 2008 eine Chance gegen die abgewrackte Beckstein-Huber-CSU gehabt. Doch nach 20 Jahren als Münchner Oberbürgermeister reist Ude nun selbst wie ein Vorruheständler durchs Land. Die Genossen rühren keinen Finger für ihren Spitzenkandidaten - und verhalten sich damit genauso wie einst Ude.

Für die SPD steht mindestens so viel auf dem Spiel wie für die CSU: Falls Ude ähnlich brutal scheitert wie sein Vorgänger Franz Maget, würde er damit auch sein Erbe in der SPD-Hochburg München gefährden: Dort wird nächstes Jahr sein Nachfolger als Oberbürgermeister gewählt.

Nach einer Niederlage kann der bald 66-jährige Ude noch ein paar Monate im Rathaus sitzen. Aber auch die Karriere des 64-jährigen Seehofer neigt sich dem Ende zu. Seine Aufgabe als Restaurator der Macht ist erfüllt, große Pläne für Bayern hat er nicht. Einen echten politischen Aufbruch im Freistaat wird es erst dann geben, wenn Seehofer abgedankt hat.

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