CSU attackiert Kanzlerin:"Merkel vergrault Stammwähler"

Profillosigkeit, unnötige Papstkritik, Passivität - Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) hat Bundeskanzlerin Merkel ungewohnt scharf angegriffen.

Im Streit um das Profil der Union hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heftig attackiert. Herrmann warf der Kanzlerin in München vor, Stammwähler vor den Kopf zu stoßen und der Union "völlig unnötig" neue Probleme beschert zu haben.

CSU attackiert Kanzlerin: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat Kanzlerin Merkel ungewohnt scharf kritisiert.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat Kanzlerin Merkel ungewohnt scharf kritisiert.

(Foto: Archivfoto: AP)

Er bezog sich dabei unter anderem auf die Kritik Merkels am Papst sowie ihre Rolle im Streit um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach. "Die Kritik am Papst hätte es so nicht gebraucht", sagte Herrmann. Damit würden Irritationen geschaffen, "die so nicht nötig wären." Insbesondere konservative katholische Wähler reagierten "allergisch". Merkel hatte Papst Benedikt XVI. wegen dessen Umgang mit dem Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson offen kritisiert.

Herrmann hielt der CDU-Vorsitzenden zudem vor, teilweise wochenlang zu bestimmten politischen Fragen zu schweigen - wie etwa zur Diskussion um die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen in Deutschland. "Es muss bei solchen Dingen schon auch schneller wahrgenommen werden, wo die Kanzlerin steht." Insgesamt sei ein schärferes Unions-Profil "dringend notwendig".

Mit Blick auf die Wirtschaftskrise sagte Herrmann, hier habe keiner "die totalen Patentrezepte". "Umso wichtiger ist es aber, dass wir in anderen Themenbereichen unsere Stammwähler nicht vergraulen."

"Es geht uns jetzt nicht darum, die Bundeskanzlerin zu ärgern", sagte der CSU-Politiker. Man wolle auch "nicht alles auf dem Rücken der Kanzlerin abladen", relativierte Herrmann. Es sei aber besser, Probleme jetzt und auch öffentlich zu diskutieren, da die Europa- und Bundestagswahlen noch weit genug entfernt seien. "Manche Dinge werden erst richtig wahrgenommen, wenn sie auch in der Zeitung stehen", betonte er.

Am Wochenende hatte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer einen "klaren Kurs" angemahnt. Die Union müsse sich "zuallererst auf ihre Stammkundschaft konzentrieren", statt sich ins "Nirvana" der Wechselwähler zu begeben und somit Merkel indirekt kritisiert.

Bereits vor Herrmanns Äußerungen hatte Merkel in der Bild-Zeitung mit Blick auf die jüngsten Attacken aus Bayern gesagt, das Verhältnis zur CSU bestehe "seit Jahrzehnten aus einer Mischung aus Reibung und Bündelung der Kräfte".

In dem Bild-Interview verteidigte Merkel auch ihre öffentliche Kritik am Papst als richtig und angemessen. Sie habe ihre Äußerung "als deutsche Bundeskanzlerin für notwendig gehalten, denn es ist für mich Teil der deutschen Staatsräson, dass, wie ich es gesagt habe, eine Leugnung des Holocaust niemals ohne Folgen im Raum stehen bleiben kann", sagte Merkel.

Merkel lobte zudem die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Steinbach habe mit ihrem Verzicht auf einen Sitz im Stiftungsrat den Start der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" möglich gemacht. Mit ihrer "großen Geste", nicht auf einem Sitz im Stiftungsrat zu bestehen, habe Steinbach einen schnellen Beginn ermöglicht.

Mit der Kritik des Vertriebenen-Verbandes und aus den Reihen der Konservativen in der CDU habe sie gerechnet, sagte Merkel. "Ich war mir bewusst, dass das zu Enttäuschungen führt."

Die Kanzlerin wies die Forderung von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günter Oettinger (CDU) zurück, möglichst bald "die Uniform der Parteichefin" anzuziehen. "Ich trage keine Uniformen, schon deswegen passt sein Bild nicht", sagte Merkel. "Wenn ich Parteivorsitzende bin, lege ich meine staatliche Verantwortung nicht ab. Und umgekehrt bin ich in allem, was ich als Kanzlerin tue, immer auch CDU-Parteivorsitzende."

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