Countdown bis zu Kürzungen:Riskantes Kalkül der Republikaner

Streit um US-Haushalt, Sequester Cuts Threaten Programs For Poor Such As Meals On Wheels

Vor allem soziale Programme sind von dem 85-Milliarden-Spardiktat betroffen - möglicherweise auch "Meals on Wheels", das Rentnern Essen nach hause liefert.

(Foto: AFP)

Am Freitag wird das radikale 85-Milliarden-Spardiktat in den USA Realität. 750.000 Jobs sind in Gefahr, es drohen Lehrer-Entlassungen, Kürzungen im Militärhaushalt und ein reduziertes Wirtschaftswachstum. Im Kampf um die öffentliche Meinung, wer schuld an der Krise sei, setzt Präsident Obama auf seine Popularität. Für die Republikaner könnte es eng werden.

Von Matthias Kolb, Washington

Am Freitag wird das radikale 85-Milliarden-Spardiktat in den USA Realität. 750.000 Jobs sind in Gefahr, es drohen Lehrer-Entlassungen, Kürzungen im Militärhaushalt und ein reduziertes Wirtschaftswachstum. Im Kampf um die öffentliche Meinung, wer schuld an der Krise sei, setzt Präsident Obama auf seine Popularität. Für die Republikaner könnte es eng werden.

Zwei Tage, bevor das Zwangssparpaket Realität werden könnte, stand US-Präsident Barack Obama mit John Boehner und Mitch McConnell zusammen. Die Herren sind die Anführer der Republikaner in Repräsentantenhaus und Senat; und auch ihre demokratischen Gegenspieler, Harry Reid und Nancy Pelosi, waren anwesend.

Die Stimmung war gelassen an diesem Mittwoch, schließlich gab es etwas zu feiern: Rosa Parks, eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung aus den fünfziger Jahren, ist die erste Afroamerikanerin, deren Statue im Capitol zu sehen ist. Über das Thema, das den Polit-Betrieb in Washington beschäftigt, sprachen die vier Herren und Pelosi nicht - die Gruppe werde sich erst am Freitag, also schon nach der Deadline, im Weißen Haus zu Beratungen über den Haushaltsstreit versammeln, hatte ein Obama-Sprecher zuvor erklärt.

Damit hat die Regierung offiziell eingestanden, was sich seit Tagen abzeichnete: Keiner rechnet mehr mit einem Kompromiss. Die Republikaner sperren sich gegen die Steuererhöhungen, die der Präsident fordert. Also wird nach dem Rasenmäher-Prinzip gekürzt: 50 Prozent beim Militär, 50 Prozent bei Sozialprogrammen, Feuerwehr, Forschung und Staatsangestellten (mehr in diesem SZ-Text). Beide Seiten lehnen die Kürzungen in der erzwungenen Form eigentlich ab, doch niemand hat einen besseren Vorschlag für "klügeres Sparen".

Obamas Kalkül hat SZ-Korrespondent Nicolas Richter so beschrieben: "Er ist beliebter als der Kongress und kann öffentlichen Druck erzeugen, ohne sich herablassen zu müssen auf mühsame Detailverhandlungen. Außerdem hat Obama im Sommer 2011 gelernt, dass er sich nur erpressbar macht, wenn er selbst mit dem Gegner feilscht."

Der New York Times haben Obama-Berater ihr Wunschszenario verraten: Nach und nach werden die Auswirkungen der Kürzungen im Land spürbar werden, wodurch der Druck auf die einzelnen konservativen Abgeordneten wächst - manche Staaten wie Virginia sind vom Militärbereich besonders abhängig. Diese Politiker wolle man als Partner gewinnen, um die Spitze der Republikaner zum Kompromiss zu zwingen.

Eine Mischung aus Motiven

Welche Überlegungen die Republikaner leiten, Verhandlungen kategorisch abzulehnen, ist auf den ersten Blick weit weniger schlüssig. Es scheint eine Mischung aus verschiedenen Motiven zu sein, die John Boehner, Eric Cantor und Mitch McConnell antreiben - und diese Taktik ist ziemlich riskant.

  • Hauptsache Kürzungen: Die Überzeugung, dass die Regierung in Washington zu viele Schulden macht und sich zu sehr in die Belange der Bürger und Bundesstaaten einmischt, wird von allen Republikanern geteilt. Gerade dem Kern der Tea-Party-Hardliner, die 2010 ins Repräsentantenhaus gewählt wurden (Hintergründe in diesem Süddeutsche.de-Text) sind die Kürzungen von 85 Milliarden Dollar für 2013 und 1,2 Billionen in den kommenden zehn Jahren noch viel zu wenig - aber sie nehmen, was sie kriegen können.

So argumentiert Mitch McConnell, der oberste Republikaner im Senat: "Bei einer Gesamtverschuldung von 16,6 Billionen Dollar und dem Versprechen an das amerikanische Volk, dass wir uns diesem Thema annehmen, ist eines ganz klar: Wir Republikaner werden die Ausgaben in Washington kürzen." Die Haltung "Wir müssen das Defizit verringern" wiegt dabei schwerer als das Anliegen, das Pentagon vor Kürzungen zu schützen. Hier haben sich die Demokraten im Sommer 2011 bitter getäuscht: Sie dachten, die Republikaner würden dem Militär Kürzungen unter keinen Umständen zumuten.

Wie Ryan Lizza vom Magazin New Yorker beschreibt, sind Boehner und der Majority Leader (Fraktionschef) der Republikaner im Repräsentantenhaus, Eric Cantor überzeugt, dass sich der Sequester am besten zur Schärfung des konservativen Profils eignet. Bei der Fiskalklippe wären die Reaktionen der Finanzmärkte wohl ebenso verheerend gewesen wie bei der Weigerung, die Schuldenobergrenze zu erhöhen. Dieses Problem haben die Republikaner - getreu dem gängigen Washingtoner Modell - mit einem Votum im Februar auf Mitte Mai verschoben. Und der nächste Stichtag am 27. März eignet sich nicht für einen Showdown: Bis dahin muss der Kongress ein Gesetz beschließen, das der Regierung erlaubt, alle Zahlungen des bestehenden Haushalts zu tätigen. Klappt das nicht, müssen Bundesbehörden sowie die Regierung in Washington ihre Arbeit einstellen (government shutdown).

Beim Sequester sind die Republikaner hingegen optimistisch, dass die Folgen der Kürzungen den Alltag der Amerikaner gar nicht so sehr beeinträchtigen werden und der Präsident als "Schwarzmaler" und "Angstmacher" präsentiert werden kann. Zudem hoffen sie, Obama als Urheber der Rasenmäher-Kürzungen darstellen zu können. Als Kronzeuge für diese vereinfachte Sicht dient Reporter-Legende Bob Woodward von der Washington Post.

  • Persönliche Motive: John Boehner, als Speaker of the House quasi Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, steht enorm unter Druck. Sollte er wieder einen Kompromiss mit Obama schließen und Steuererhöhungen zustimmen, wäre eine offene Meuterei gegen ihn wahrscheinlich. Also nutzt der Mann aus Ohio den Sequester, um sich als Kämpfer für die reine Lehre der Steuersenkungen zu profilieren. Das gilt auch für die meisten Abgeordneten, die sich in ihren Wahlkreisen dafür feiern lassen, dass sie Ausgaben senken und dem öffentlichen Druck der "liberalen Medien" standhalten.
  • Es lenkt von anderen Politikfeldern ab: Auf eine weitere Überlegung macht Politico aufmerksam: Je mehr über die Themen Haushalt, Staatsverschuldung und die angemessene Rolle der Regierung debattiert werde, umso weniger Zeit bleibe den Medien und dem Parlamentsbetrieb, sich mit drängenden Fragen wie der Reform des Einwanderungsrechts, strengeren Waffengesetzen oder Klimawandel zu beschäftigen.

Dies hätte zwei Vorteile für die Konservativen: Jedes der vergangenen Themen verdeutlicht den Wählern die Zerrissenheit der noch immer nach ihrer Identität suchenden Republikaner, was tunlichst vermieden werden soll. Und natürlich soll es Präsident Obama so schwer wie möglich gemacht werden, seine progressive Agenda umzusetzen und als starker Präsident in die Geschichte einzugehen.

Ob es den Republikanern wirklich gelingen wird, ihre Ziele durchzusetzen und ihr eigenes, ziemlich katastrophales Image aufzubessern, scheint fraglich. Dagegen spricht nicht nur, dass der US-Präsident beim Sequester für genau jene Politik plädiert, mit der er 2012 wiedergewählt wurde und die auch von der immer wichtiger werdenden Gruppe der Latinos unterstützt wird.

Alle Umfragen lassen vermuten, dass die Republikaner im Kampf um die Meinungshoheit unterliegen werden. Laut Washington Post missbilligen zwei Drittel der Befragten die Haushaltspolitik der Grand Old Party (Obamas Wert: 52 Prozent). Eine Erhebung von Pew für die Tageszeitung USA Today aus der vergangenen Woche zeigt, dass sich das Volk eines wünscht: Die Politiker sollen sich auf einen Kompromiss im Haushaltsstreit einigen. Der Hauptschuldige steht für fast jeden zweiten Amerikaner bereits fest: Es sind die Republikaner.

Linktipp: Die lange Analyse über das Innenleben der Republikaner im Repräsentantenhaus und die Rolle von Majority Leader Eric Cantor ist im New Yorker erschienen und kann online nachgelesen werden.

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