Costa Rica:Zwei Alvarados, zwei Weltbilder

In der Stichwahl am Ostersonntag trifft der radikale Prediger Fabricio Alvarado auf einen Namensvetter. Das Ergebnis dürfte Symbolwirkung für die gesamte Region Lateinamerika haben.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Bis vor wenigen Monaten galt die Präsidentschaftskandidatur von Fabricio Alvarado, 43, als aussichtslos. Zwar war er in seinem Heimatland Costa Rica schon recht populär als TV-Reporter, als christlicher Schlagersänger sowie als evangelikaler Prediger. Aber das Amt des Staatspräsidenten traute ihm kaum jemand zu. In Umfragen lag er noch Anfang Januar bei rund drei Prozent. Was dann geschah in dem kleinen und relativ stabilen Land in Zentralamerika, war eine Art religiöser Schockwelle. Alvarado surfte auf dieser Welle an allen anderen Bewerbern vorbei; er gewann den ersten Wahlgang Anfang Februar und liegt auch vor der jetzigen Stichwahl in aussichtsreicher Position.

Es ist mehr als eine kleine Pointe, dass ausgerechnet am Ostersonntag darüber abgestimmt wird, ob in Costa Rica künftig ein selbsternannter christlicher Heilsbringer regiert. Das Ergebnis dürfte in der gesamten Region Symbolkraft entfalten. Auf dem Spiel steht auch die Frage: Kann man im Jahr 2018 in Lateinamerika mit religiösem Fundamentalismus eine Präsidentenwahl gewinnen?

Es geht auch darum, ob man mit religiösem Fundamentalismus eine Präsidentenwahl gewinnt

Das Wahlprogramm von Alvarado lässt sich so zusammenfassen: "Die Verteidigung der Familie und des Lebens." Seine Gegner meinen, man könne es sogar auf ein Wort verkürzen: Homophobie. Der Tag, an dem der kometenhafte Aufstieg Alvarados begann, war der 9. Januar. Der Tag war zunächst von Bürgerrechtlern und vor allem von Schwulen und Lesben als historisch bezeichnet worden. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hatte in einem spektakulären Urteil entschieden, dass alle Länder Lateinamerikas die gleichgeschlechtliche Ehe anerkennen müssen. Anlass war eine Rechtsanfrage aus Costa Rica, wo die Homo-Ehe bis dahin verboten war. Zwei Drittel der Menschen in dem stark katholisch geprägten Land meinen, dass es dabei bleiben sollte. Die Empörung über das Urteil bildete die Basis für Alvarados Wandel vom chancenlosen Eiferer zum Top-Favoriten.

Er forderte den Austritt seines Landes aus der lateinamerikanischen Menschenrechtskommission. Alvarado gelang es damit, auch viele konservative Katholiken zu überzeugen - als der Verteidiger der sogenannten christlichen Werte.

Der politische Einfluss der evangelikalen Pfingstkirchen wächst seit einigen Jahren in der gesamten Region. In Mexiko, Peru, Venezuela und vor allem in Brasilien, wo die zweitgrößte Stadt Rio de Janeiro einen emeritierten evangelikalen Bischof zum Bürgermeister gewählt hat. In Kolumbien wird dem pfingstkirchlichen Fundamentalismus ein entscheidender Einfluss bei der Ablehnung des Friedensvertrages mit der Farc-Guerilla zugeschrieben. In Guatemala regiert seit zwei Jahren der evangelikale TV-Komiker Jimmy Morales. Aber nie hat das Thema Religion so sehr einen Präsidentschaftswahlkampf bestimmt wie nun in Costa Rica.

Der Mann, der die Machtübernahme Alvarados noch verhindern kann, heißt ebenfalls Alvarado, Carlos mit Vornamen, 38 Jahre jung. Der Sozialdemokrat Carlos Alvarado war Arbeitsminister unter dem scheidenden Präsidenten Luis Guillermo Solís, der für ein modernes und weltoffenes Costa Rica eintrat. Er will dessen Erbe fortsetzen und auch die Homo-Ehe, wie von der Kommission für Menschenrechte gefordert, einführen. Zwei Alvarados, zwei Weltbilder. Letzte Erhebungen legen nahe, dass es am Tag der Auferstehung auf jede Stimme ankommt.

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