Comey-Buch:Die Trump-Präsidentschaft, ein Waldbrand

James Comey

James Comey hat genug Zeit mit Trump verbracht, um in seinem Buch keine Rücksicht mehr auf Anstand oder auf ein irgendwie gesittetes Verhältnis zum Präsidenten zu nehmen.

(Foto: AP)

Der frühere FBI-Chef James Comey hat ein Buch geschrieben, das wenig Neues zu den Russland-Ermittlungen beitragen dürfte - aber viel über Donald Trumps Umgangsformen im Weißen Haus erzählt. Der Präsident tobt.

Von Dominik Fürst

James Comey kennt sich aus mit Mobbing. Als Kind ist er von anderen Kindern geschlagen, verspottet und in Schränke gesperrt worden. Um solche Peinigungen zu überleben, müsse man "ständig lernen und sich anpassen", schreibt der frühere FBI-Direktor in seinem kommende Woche erscheinenden Buch "A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership", aus dem amerikanische Medien schon jetzt in Auszügen berichten. Deshalb seien die Peiniger so mächtig: "Weil es so viel einfacher ist, ihnen zu folgen, mit der Menge zu gehen, sich einfach anzuschließen."

Comey hat die Schikanen seiner Kindheit überstanden, aber eine der härtesten Prüfungen erwartete ihn erst im Erwachsenenalter. Mit Donald Trump zusammenzutreffen, dem 45. US-Präsidenten, war offenbar selbst für den FBI-Chef eine neue, außergewöhnliche Erfahrung.

Der Präsident als Lügner, die Untergebenen als Jasager

"Dieser Präsident ist skrupellos und nicht an die Wahrheit und institutionelle Werte gebunden", schreibt Comey in seinem Buch, das mehr Autobiografie als Enthüllungsbericht ist. Es dürfte daher wenig Neues zur Russland-Affäre beitragen, aber viel über Trumps Charakter verraten. Sein Dienst unter Trump erinnere ihn an die Zeit, als er gegen die Mafia in New York vorging, schreibt Comey: "Der stille Kreis der Zustimmung. Der Boss in vollständiger Kontrolle. Die Treueschwüre. Die Wir-gegen-die-Weltsicht. Das Lügen über alles, große und kleine Dinge, im Dienste eines Treuecodes, der die Organisation über Moral und Wahrheit erhebt."

Der Präsident als Lügner, seine Untergebenen als Jasager: Nach mehr als einem Jahr Trump-Präsidentschaft wundert man sich als Leser nicht mehr über Comeys Bericht, aber die Details sind dennoch interessant. Comeys 304 Seiten langes Buch ist der bislang erste Insider-Bericht eines hochrangigen ehemaligen Behördenchefs oder Regierungsmitglieds. Das kann nicht einmal das bislang am meisten Aufsehen erregende Buch "Fire and Fury" des Journalisten Michael Wolff von sich behaupten.

Trump hat Comey im Mai 2017 gefeuert, vermutlich, weil der FBI-Chef zur Russland-Affäre ermittelte, also zu möglichen illegalen Kontakten des Trump-Wahlkampfteams nach Moskau. Erst mit dieser Entscheidung machte Trump unfreiwillig den Weg für die Einsetzung von Sonderermittler Mueller frei, der den Präsidenten mit seinen Nachforschungen zunehmend in Zorn versetzt. Mueller prüft auch, ob Trump mit Comeys Entlassung die Justiz behindert hat. Trump und Comey jedenfalls sind sich seither in herzlicher Abneigung verbunden - und greifen sich gelegentlich gegenseitig bei Twitter an.

Comey erzählt in seinem Buch noch einmal von dem Abendessen im Januar 2017, bei dem Trump ihm nach eigener Aussage einen Treueschwur abverlangen wollte.

Trump: Ich brauche Loyalität.

Comey: Sie werden immer Ehrlichkeit von mir bekommen.

Trump: Das ist es, was ich brauche: ehrliche Loyalität.

Blinde Gefolgschaft hat Trump von Comey nicht bekommen. Der FBI-Chef betrieb ebenso hartnäckig die Russland-Ermittlungen wie vor der Präsidentschaftswahl im November 2016 die Untersuchung um Hillary Clintons E-Mails. Viele Demokraten haben Comey bis heute nicht verziehen, dass er zwei Wochen vor der Wahl eine weitere Clinton-E-Mail-Untersuchung öffentlich machte, die am Ende nichts zutage förderte, aber Hillary womöglich die Präsidentschaft gekostet hat.

"Niemals würde ich Leute in meiner Nähe aufeinander pinkeln lassen"

In seinem Buch erfährt man nun, wie fair der damalige Noch-Präsident Barack Obama mit ihm in der Sache umgegangen ist, als die Partei Comey bereits zu hassen begann. Obama habe ihm gesagt, dass er von seiner Integrität überzeugt sei: "Ich will, dass Sie wissen, dass nichts - nichts - im vergangenen Jahr passiert ist, das meine Meinung geändert hätte." Comey war erleichtert: "Junge, das waren die Worte, die ich hören musste."

Aber die guten alten Obama-Zeiten, sie kommen nur am Rande vor in dem Buch, wie es sich in den Rezensionen von New York Times und Washington Post darstellt. Die Gegenwart ist schließlich schmutzig. Nichts illustriert dies so treffend wie das berüchtigte Steele-Dossier eines früheren britischen Geheimagenten, in dem es um Donald Trump, ein Hotelzimmer in Russland und urinierende Prostituierte geht. "Niemals würde ich Leute in meiner Nähe aufeinander pinkeln lassen", soll Trump zu Comey gesagt haben, "no way." Er habe schließlich eine Phobie gegen Keime.

Comey hat genug Zeit mit Trump verbracht, um in seinem Buch keine Rücksicht mehr auf Anstand oder auf ein irgendwie gesittetes Verhältnis zum Präsidenten zu nehmen. "Sein Gesicht erschien mir leicht orangefarben", beschreibt er sein erstes Treffen mit Trump. Die Präsidentschaft vergleicht er mit einem Waldbrand. Es ist kein Wunder, dass die Republikaner mit einer geplanten Webseite über den "Lügenden Comey" bereits an ihrer Gegenoffensive arbeiten. Die Aufmerksamkeit dürfte trotzdem in den kommenden Tagen dem früheren FBI-Chef gehören.

Trump selbst hat auch schon auf die Auszüge aus Comeys Buch reagiert. Bei Twitter nannte er den Autor einen "Verräter und Lügner". Jeder in Washington sei der Ansicht gewesen, dass Comey einen schlechten Job gemacht habe, bis er gefeuert worden sei. Comey habe geheime Informationen nach außen gegeben und müsse strafrechtlich verfolgt werden, so Trump. "Es war mir eine große Ehre, James Comey rauszuschmeißen!" Vieles davon twitterte er in Großbuchstaben.

Als Trump ihn feuerte, schreibt Comey in seinem Buch, habe John Kelly, der jetzige Stabschef des Präsidenten, ihn angerufen und ihm gesagt, dass er die vielen Rauswürfe leid sei und, dass er selbst überlege, hinzuschmeißen. Comey schreibt: "Ich drängte Kelly, das nicht zu tun, weil das Land disziplinierte Leute um diesen Präsidenten brauche. Ganz besonders um diesen Präsidenten."

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