Comeback von Eliot Spitzer und Anthony Weiner:Wenn Sexskandale Stimmen bringen

Comeback von Eliot Spitzer und Anthony Weiner: Rückkehr der Geächteten: Das "New York Magazine" kombiniert auf seinem Cover die Gesichter der demokratischen Politiker von Anthony Weiner (links) und Eliot Spitzer.

Rückkehr der Geächteten: Das "New York Magazine" kombiniert auf seinem Cover die Gesichter der demokratischen Politiker von Anthony Weiner (links) und Eliot Spitzer.

(Foto: Quelle: New York)

Callgirls und anzügliche Twitter-Bilder: Wegen Sex-Affären mussten die beiden US-Politiker Eliot Spitzer und Anthony Weiner einst zurücktreten. Nun kandidieren der Ex-Gouverneur und der frühere Kongressabgeordnete in New York erneut für hohe Ämter - sehr zur Freude der Boulevardmedien.

Von Matthias Kolb

"Sex sells - vor allem wenn Sie in New York bei einer Wahl antreten". So interpretiert die Boulevardzeitung New York Post die aktuellen Umfragen unter demokratischen Parteimitgliedern in der Millionenmetropole. Denn wenige Wochen vor der Vorwahl der Partei am 10. September führen mit Anthony Weiner und Eliot Spitzer zwei Männer, die zuletzt wegen ihrer Libido Schlagzeilen gemacht hatten.

Im Rennen um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Bloomberg liegt Weiner mit 25 Prozent knapp vor Christine Quinn - dabei hatte er im Juni 2011 als Kongressabgeordneter zurücktreten müssen, nachdem er schmierige Bilder an seine Twitter-Follower geschickt und dies tagelang abgestritten hatte. Dass die Fotos eigentlich für eine junge Frau bestimmt war, mit der er seit Wochen online flirtete, machte die Sache ebenso wenig besser wie die Tatsache, dass "Weiner" wie das Wiener Würstchen ausgesprochen wird und in der Umgangssprache als Synonym für das männliche Geschlechtsteil gilt.

Der bizarre Sex-Skandal hob Weiner auf eine Stufe mit Eliot Spitzer - was leider keine Auszeichnung ist. Spitzer verfolgte einst als Generalstaatsanwalt knallhart mögliche Vergehen der Banker und verdiente sich damit den Spitznamen "Sheriff der Wall Street". Der Harvard-Absolvent wurde Gouverneur und galt als möglicher Kandidat für das Weiße Haus. Bis die New York Times 2008 enthüllte, dass er als "Client-9" die Dienste des illegalen Prostituiertenrings Emperors Club VIP in Anspruch nahm.

New Yorks Boulevard jubiliert

Nach fünf Jahren unfreiwilliger Pause will Spitzer nun als "Comptroller" von New York City zurück ins Rampenlicht: Der Inhaber dieses Amts überwacht die Finanzen der Stadt. In der aktuellen Umfrage liegt der 54-Jährige, der die Wähler per Zeitungsinterview um "Vergebung" bat, mit 48 Prozent weit vor seinem Konkurrenten Scott Stringer (33 Prozent). Wer sich bei den Vorwahlen der Demokraten durchsetzt, muss noch am 5. November gegen einen republikanischen Herausforderer antreten - dies ist angesichts der Machtverhältnisse im liberalen New York jedoch nur eine Formsache.

Seit die tief gefallenen Politiker wieder aktiv sind, werden ihre Schritte genauestens beobachtet und beschrieben. Wenn Spitzer nicht pünktlich zu einem Wahlkampfauftritt erscheint, ruft ihm schon mal ein Passant zu: "Eliot, warum kommst du zu spät? Warst du bei einer Hure?" New Yorks ohnehin nicht zimperliche Boulevardmedien begleiten beide mit anzüglichen Wortspielen und Schlagzeilen (hier eine Chronik zum Fall von Anthony Weiner).

Der 48-jährige Weiner hatte seine Rückkehr mit einer ausführlichen Homestory im Magazin der New York Times vorbereitet. Darin erzählt seine Frau Huma Abedin, wie sehr sich Weiner gewandelt habe und dass sie dessen Kandidatur unterstütze. Abedins Name steht für Einfluss in Amerikas Polit-Szene: Sie arbeitete vier Jahre lang als Assistentin von Hillary Clinton und gilt als deren Ziehtochter.

Weiner selbst ist mittlerweile auch wieder bei Twitter aktiv. Inzwischen nutzt er den Kurznachrichtendienst ausschließlich für Wahlkampfzwecke und stellt etwa seinen 64-Punkte-Plan für die Stadt vor.

Vergebungsvolles Amerika?

Doch es sind nicht nur die Boulevardmedien, die sich mit Weiner und Spitzer beschäftigen. Das New York Magazine widmet beiden in seiner aktuellen Ausgabe lange Texte und verschmilzt sie auf seinem optisch Cover zu einer Person - die in ihrer Verbissenheit wenig sympathisch wirkt. Auch wenn ihre Fälle etwas anders liegen (Weiner war vor allem dämlich, Spitzer hatte sich als Moralapostel stilisiert), wirft die mögliche Rückkehr der beiden viele Fragen auf: Kehren sie wie Süchtige auf die politische Bühne zurück, um endlich wieder Aufmerksamkeit zu bekommen? Ist es ihr enormes Ego, das sie antreibt - oder sind sie überzeugt, dass nur sie den Job richtig gut machen können?

Es geht auch um Moral und Vergebung: Bedeuten ihre möglichen Erfolge, dass die Amerikaner ihren Politikern Seitensprünge und andere moralische Verfehlungen eher verzeihen als früher? Begründet wird diese These mit dem Erfolg von Mark Sanford: Der hatte als Gouverneur von South Carolina einen Besuch bei seiner Geliebten in Argentinien mit einem Wanderausflug in den Appalachen zu vertuschen versucht und viel Spott ertragen müssen. Im Mai wählten die Bürger den Republikaner dennoch ins Repräsentantenhaus.

Beobachter wie Chris Cillizza von der Washington Post weisen darauf hin: Gerade die liberalen Demokraten haben ihren Politikern (Bill Clinton! die Kennedys!) immer schon viele moralische Fehltritte zugestanden. Die Erhebungen der Demoskopen zeigen, dass selbst die konservativen Amerikaner es verwerflicher finden, wenn sich Politiker auf Kosten des Steuerzahlers bereichern, als wenn sie ihre Ehefrau betrügen.

Und so haben die guten Umfragewerte für Anthony Weiner und Eliot Spitzer wohl einen recht simplen Grund: Wie im Fall von Mark Sanford sind ihre Namen - wegen ihrer vorigen Ämter und auch aufgrund der Sex-Skandale - fast allen Wählern bekannt. In Kombination mit einer vollen Wahlkampfkasse (Spitzer ist Sohn eines reichen Immobilieninvestors) ist das schon fast eine Garantie für den Sieg.

Linktipps: Die lange Home Story des New York Times Magazine über Anthony Weiner und Huma Abedin verrät viel über Amerikas Polit- und Medienbetrieb. Mehr über Eliot Spitzers Comeback-Versuch ist bei Politico nachzulesen.

Der Autor twittert unter @matikolb.

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