Colonia Dignidad:Angemessen erinnern

Lesezeit: 1 min

Eine deutsch-chilenische Kommission soll die Gräueltaten aufarbeiten, die sich in Chile auf dem Gelände der sogenannten Kolonie Würde abgespielt haben. Die Kommission soll noch in diesem Jahr die Arbeit aufnehmen.

Eine deutsch-chilenische Kommission soll zur Aufarbeitung der Verbrechen in der sogenannten Colonia Dignidad in Chile beitragen. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten der Regionalbeauftragte für Lateinamerika und Karibik des Auswärtigen Amts, Dieter Lamle, und der Botschafter Chiles in Berlin, Patricio Pradel. Wie es aus dem Außenamt am Donnerstag hieß, ist geplant, dass die Kommission noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt. Die Geschichte der "Kolonie Würde" gehört zu den dunkelsten Kapiteln in den deutsch-chilenischen Beziehungen. Auf dem etwa 300 Quadratkilometer großen Areal sollen zeitweilig bis zu 350 Menschen gelebt haben, von denen etliche aus Deutschland stammten.

Gründer der Colonia Dignidad war der gebürtige Bonner Paul Schäfer (1921-2010), der sich 1961 mit seiner Flucht nach Chile einem Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in Deutschland entzogen hatte. Auf der Anlage, etwa 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, versprach der aus einem freikirchlichen Umfeld stammende Laienprediger seinen Anhängern ein "urchristliches Leben im gelobten Land". Tatsächlich führte Schäfer ein diktatorisches Regime und schottete die Sektenmitglieder von der Außenwelt ab. Zu den Verbrechen zählten unter anderem Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit und Sklaverei, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Folter und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation.

Während der chilenischen Militärdiktatur von 1973 bis 1990 wurden in der Colonia Dignidad Hunderte chilenische Regimegegner vom Geheimdienst gefoltert und Dutzende ermordet. Die Einsetzung der Kommission geht laut Auswärtigem Amt auf Gespräche des Regionalbeauftragten mit der chilenischen Seite zurück, die seit Mitte 2016 geführt wurden. Die Kommission solle mit ihrer Arbeit dazu beitragen, Ziele zu erreichen, "die auch im Entschließungsantrag des Bundestags genannt sind". Der kurz vor der Sommerpause verabschiedete fraktionsübergreifende Antrag fordert die Bundesregierung unter anderem auf, bis zum Sommer nächsten Jahres ein Konzept mit Blick auf Hilfeleistungen für Opfer vorzulegen und die Einrichtung einer Gedenkstätte auf dem Gelände der "Kolonie Würde" voranzutreiben. Noch etwa 100 Menschen leben in der Anlage, die heute Villa Baviera heißt, darunter sowohl Opfer als auch Täter, und versuchen, die Anlage durch Land- und Forstwirtschaft sowie Restaurant- und Hotelbetrieb zu nutzen. Eine angemessene Erinnerung an die vielen Opfer und die innerhalb der Colonia Dignidad begangenen Menschenrechtsverletzungen finde bislang nicht statt, heißt es in dem Antrag.

© SZ vom 14.07.2017 / kna - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: