Clinton als Obama-Wahlkämpfer:Jetzt muss er ihm doch helfen

"Der eine ist cool, der andere heißblütig, aber in beiden lodert das gleiche Feuer": Obama und Clinton konnten sich lange nicht leiden, zu tief saßen die Wunden. Doch nun wird Clinton auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte eine für Obama wichtige Rede halten. Das nutzt beiden. Und Bills Frau Hillary - die 2016 ins Weiße Haus einziehen könnte.

Matthias Kolb, Charlotte

Bill Clinton wirbt für Barack Obama

Ex-Präsident Bill Clinton (links) wird auf dem Parteitag in Charlotte in einer Rede für seinen Nachnachfolger Barack Obama werben.

(Foto: dpa)

Der Anruf kam vor etwa einem Jahr. Ob Bill Clinton nicht eine Partie Golf mit ihm spielen wolle, fragte Barack Obama. Clinton, der 42. Präsident der USA, hatte Lust, und so schlug er mit seinem Nachnachfolger am 24. September 2011 ein paar Bälle. In dem Moment, so schreibt es Ryan Lizza im New Yorker, hätten Clinton-Vertraute gemerkt, dass Obama die Wahl 2012 unbedingt gewinnen wolle: "Warum sonst würde er Stunden mit Bill Clinton auf einem Golfplatz verbringen und sich von ihm belehren lassen?"

Es sind diese langen Texte in Publikationen wie New Yorker, The Atlantic, New York oder New York Times Magazine, die Journalisten helfen, das Washingtoner Geflecht aus Eitelkeiten, Feinschaften und gemeinsamen Bekannten zu durchschauen. Ryan Lizzas Geschichte erscheint passend zur großen Wahlkampfrede, die Clinton am Mittwoch in Charlotte halten wird, und handelt von der Annäherung zweier Menschen, die sich politisch und persönlich lange misstrauten. Die vier wichtigsten Punkte:

[] Obama braucht die Popularität, die Clinton in ganz Amerika genießt. Gerade bei weißen Arbeitern ohne College-Abschluss, die Obama sehr skeptisch sehen, kommt der 66-Jährige super an. In Tampa raunte Carl Toepel, Republikaner aus Wisconsin, aus dem Publikum: "Wenn es keine Beschränkung auf zwei Amtszeiten gäbe, dann wäre Bill Clinton immer noch Präsident."

[] Clinton, der in den Neunzigern einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftete, ist der beste Mann, um in Zeiten von gut acht Prozent Arbeitslosigkeit für Obamas Wirtschaftspolitik zu werben. In einem in den swing states ausgestrahlten Wahlvideo ("Clear Choice for America") preist er seinen Nachnachfolger als Kämpfer für die Mittelschicht, ohne den ein Aufschwung unmöglich sei.

[] Das Verhältnis von Bill Clinton zum amtierenden Präsidenten war aus mehreren Gründen belastet: Erstens verübelte er Obama die persönlichen Attacken auf Gattin Hillary im Vorwahlkampf. Zweitens wurde Clinton vom Weißen Haus anfangs nicht um Rat gefragt. Drittens fühlte er seine Leistung nicht gewürdigt: Obama hatte 2008 in einem Interview erklärt, Ronald Reagan sei ihm ein größeres Vorbild als Clinton.

[] Bill Clinton motivieren vor allem drei Dinge: Er fürchtet, dass ein Präsident Mitt Romney das Erbe seiner eigenen Amtszeit zerstören und Amerika fundamental verändern könnte. Zudem weiß er, dass er durch sein Engagement in Vorleistung tritt und damit seiner Frau Hillary bei ihren Ambitionen fürs Weiße Haus 2016 helfen kann.

Neben Ryan Lizzas Artikel im New Yorker stammen die besten Texte zum komplizierten, aber nun deutlich verbesserten Verhältnis von 42 und 44, wie die Präsidenten im Washingtoner Polit-Jargon heißen, von David Maraniss. Der Autor der Washington Post hat über beide Politiker Biographien verfasst (Details zu Barack Obama. The Story) und ist wie sich wie Lizza sicher, dass Clinton alles für einen Erfolg Obamas tun werde.

"Er liebt es, gebraucht zu werden"

Bereits in dem von Oscar-Preisträger Davis Guggenheim inszenierten 17-Minuten-Werbefilm (mehr im Wahlblog-Eintrag von März) lobte Clinton die Entschlossenheit Obamas - es ging um die Tötung Bin Ladens. Der Schlüssel liege in seiner Eitelkeit und einer engen Anbindung an die Planungen der Obama-Wahlkampfzentrale in Chicago: "Er liebt es, gebraucht zu werden. Das ist ihm ebenso wichtig, wie geliebt zu werden."

Wem Romney und Obama vertrauen

Maraniss verweist auf erstaunliche Parallelen in den Lebensläufen der beiden Demokraten. Sie wuchsen ohne leiblichen Vater in der Provinz (Hawaii bzw. Arkansas) auf und mussten sich auf ihrem Weg nach oben gegen viele Widerstände durchsetzen. Allerdings unterscheiden sie sich in ihrem Wesen: Der extrovertierte Clinton ist ein Menschenfischer, der ungern allein ist und sich auch nach zwei Jahrzehnten noch an eine Zufallsbekanntschaft in einem Dunkin' Donuts in New Hampshire erinnern kann.

Der Einzelgänger Barack Obama ist hingegen lieber allein oder im Kreise enger Vertrauter. Angetrieben von seiner Überzeugung, "ernsthafter" und klüger als fast alle in seinem Umfeld zu sein, hat er sich in seiner ersten Amtszeit im Weißen Haus eingeigelt und wenig Kontakt zum politischen Gegner oder auch zu Abgeordneten seiner eigenen Partei gesucht. Das Fazit des Pulitzer-Preisträgers Maraniss: "Der eine ist cool, der andere heißblütig, aber in beiden lodert das gleiche Feuer".

Ein Zeichen von Vertrauen

Wie wichtig Obama und seinen Beratern Clintons Unterstützung ist, verdeutlicht eine Tatsache: Der Ex-Präsident muss das Redemanuskript nicht der Wahlkampfzentrale in Chicago vorlegen. Dies ist in Amerikas kontrollfixierten Politbetrieb extrem selten und ein Zeichen von Vertrauen - vor allem nach Clint Eastwoods Stuhl-Sketch-Desaster, das die Republikaner erlebt haben. Doch in Chicago ist man sicher: Bill Clinton weiß, worum es in dieser Woche geht. Um nichts geringeres als den Sieg.

Der Autor twittert unter @matikolb vom Nominierungsparteitag der Demokraten in Charlotte.

Linktipp: Der Bericht von Ryan Lizza im aktuellen New Yorker über die Annäherung von Barack Obama und Bill Clinton enthält weitere treffende Charakterisierungen der beiden Präsidenten.

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