CIA-Spionage:Mutmaßlicher Spion stand bereits 2010 unter Verdacht

Der Verfassungsschutz soll schon vor vier Jahren Hinweise darauf bekommen haben, dass ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums verdächtig sei. Als Konsequenz aus den mutmaßlichen Spionagefällen schränkt das Kanzleramt einem Zeitungsbericht zufolge die Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten ein - die Bundesregierung dementiert das.

  • Schon vor vier Jahren soll der Verfassungsschutz Hinweise auf den mutmaßlichen Spion im Verteidigungsministerium bekommen haben.
  • Das Bundeskanzleramt schränkt die Zusammenarbeit mit US-Diensten einem Zeitungsbericht zufolge ein. Die Bundesregierung dementiert das.
  • Die Minister Steinmeier und Maas kritisieren die Spionagepraxis der USA mit harten Worten.
  • US-Senatoren fordern Präsident Obama auf, in der Affäre schnell den Kontakt zu Kanzlerin Merkel zu suchen.

Bereits 2010 anonymer Hinweis auf mutmaßlichen Spion

Ein Verdächtiger Verfassungsschutz-Mitarbeiter ist wohl schon länger im Visier der Behörden. Bereits im August 2010 soll es "erste Ermittlungen" gegeben haben, die sich mit dem Verdächtigten befassten - so drückte es der Linken-Politiker André Hahn aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bekam wohl schon im August 2010 einen anonymen Hinweis auf jenen Mitarbeiter, der jetzt in den Verdacht geraten ist, im Verteidigungsministerium für die USA spioniert zu haben.

In dem anonymen Hinweis habe es geheißen, dass der Mitarbeiter öfter zu Kurzreisen in die Türkei aufbreche. Damals wurde vermutet, er treffe sich mit Vertretern des russischen Geheimdienstes. Der Verdächtige habe anschließend häufiger die Dienststellen gewechselt, was erklären könnte, warum er so lange unbehelligt blieb.

Generalbundesanwalt Harald Range sieht nach der Durchsuchung der Wohn- und Büroräume des unter Spionageverdacht stehenden Mitarbeiters des Verteidigungsministeriums keinen dringenden Tatverdacht. Anders als bei einem in der vergangenen Woche enttarnten mutmaßlichen Doppelagenten des BND gebe es bislang keine Grundlage für einen Haftbefehl, sagte ein Sprecher. Wie aus Sicherheitskreisen verlautete, handelt es sich bei dem mutmaßlichen Spion im Verteidigungsressort um einen zivilen Mitarbeiter und nicht um einen Soldaten. Er sei als Länderreferent in der Abteilung Politik eingesetzt gewesen und habe sicherheitspolitische Themen bearbeitet.

Bundeskanzleramt soll Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten beschränken

Das Bundeskanzleramt zieht einem Medienbericht zufolge weitreichende Konsequenzen aus den mutmaßlichen Spionagefällen beim BND und im Bundesverteidigungsministerium. Das für die deutschen Geheimdienste zuständige Kanzleramt habe eine Anweisung an alle deutschen Geheimdienste erlassen, die Zusammenarbeit mit amerikanischen Partnerdiensten bis auf weiteres auf das Notwendigste zu beschränken, berichtet die Bild-Zeitung.

Damit seien der Zeitung zufolge alle Kooperationen gemeint, die nicht die unmittelbaren Sicherheitsinteressen Deutschlands, wie etwa die Sicherheit deutscher Soldaten in Afghanistan oder bei anderen Auslandseinsätzen, sowie die Abwehr von terroristischen Bedrohungen betreffen. Die Anweisung ist dem Bericht zufolge eine direkte Reaktion auf die mutmaßlichen Spionagefälle beim BND und im Verteidigungsministerium.

Die Bundesregierung weist die Berichte allerdings zurück: "Ich kann solche Berichte nicht bestätigen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine entsprechende Anweisung habe es nicht gegeben, zu operativen Details der Geheimdienstarbeit könne er sich nicht äußern.

Die Nachrichtenagentur dpa hatte zuvor bereits berichtet, dass es keine förmliche Anweisung gegeben hätte. Die beruflichen Kontakte zu den US-Diensten wie etwa der Informationsaustausch, Fachgespräche oder die operative Zusammenarbeit laufen demnach weiter. Nach dpa-Informationen wurde den Diensten als Konsequenz allerdings geraten, etwa bei Feierlichkeiten mit US-Stellen zurückhaltend aufzutreten.

Deutsche Minister gehen USA scharf an

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte von den USA mehr Respekt. "Diese Zusammenarbeit muss nicht nur von Vertrauen, sie muss auch von gegenseitigem Respekt getragen sein", sagte er. Eine Aufkündigung der Kooperation mit den USA lehnte Steinmeier ab. "Es wäre eine Illusion zu glauben, dass eine Entschärfung der Konflikte wie auch die Erarbeitung politischer Lösungen ohne enge Zusammenarbeit mit den USA gelingen könnte", erklärte er. Den Vertreter der US-Geheimdienste aufzufordern, Deutschland zu verlassen, bezeichnete Steinmeier hingegen als "angemessene Reaktion auf den Bruch von Vertrauen, den es gegeben hat". Daraus Konsequenzen zu ziehen, sei "unvermeidbar" gewesen.

Kritik kam auch von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Er forderte die USA auf, alle Spionageaktivitäten gegen Deutschland offenzulegen und umgehend zu beenden. "Die Amerikaner müssen jetzt aktiv zur Aufklärung der Vorwürfe beitragen, die im Raum stehen. Sie sollten reinen Tisch machen", sagte Maas der Passauer Neuen Presse. "Dazu gehört eine klare Aussage über eventuelle weitere Spionagefälle, von denen wir möglicherweise noch nichts wissen. Und vor allem: Wir brauchen die verbindliche Zusicherung aus Washington, dass diese Praxis ein für alle Mal beendet wird", sagte Maas weiter.

US-Senatoren fordern Präsident Obama zum Eingreifen auf

Mit einigen Tagen Verzögerung hat der Spionagestreit zwischen Deutschland und den USA auch den Kongress in Washington erreicht. Kongressmitglieder beider Parteien forderten die Regierung von Präsident Barack Obama zum Handeln auf. "Ich bin zutiefst besorgt", sagte die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, die Demokratin Dianne Feinstein, über die Affäre.

"Die Situation fängt an, außer Kontrolle zu geraten", sagte der republikanische Senator Jim Risch, der ebenfalls im Geheimdienstausschuss sitzt. "Die Regierungen beider Länder müssen sich an einen Tisch setzen und versuchen, das zu lösen." Deutschland sei für die Vereinigten Staaten ein "sehr wichtiges Land". Daher müsse der Präsident sich "substanzieller einbringen", sagte Risch. Auch der demokratische Senator Tim Kaine, Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Beziehungen, sieht Obama in der Pflicht. "Ich denke definitiv, dass der Präsident bei diesem Thema den direkten Kontakt mit Angela Merkel haben sollte", sagte Kaine. Die Beziehung mit Deutschland sei "zu wichtig", um sie mit einer Spionageaffäre zu beschädigen.

Die Hintergründe der Spionage-Affäre beim BND und im Verteidigungsministerium

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter des BND im Verdacht steht, mehr als 200 Dokumente an die USA verkauft zu haben. Diese Woche bestätigte die Bundesanwaltschaft, dass es einen weiteren mutmaßlichen Spionagefall gibt, betroffen ist das Verteidigungsministerium. Als Reaktion forderte die Bundesregierung den obersten Repräsentanten der US-Geheimdienste in Deutschland zur Ausreise auf.

Seitdem die jüngste Spionageaffäre ins Rollen kam, verweigern das Weiße Haus und die Geheimdienste jeden öffentlichen Kommentar zu den Vorwürfen. Obamas Sprecher Josh Earnest erklärte, er könne sich weiterhin nicht zu Geheimdienstangelegenheiten äußern, weil er sonst die nationale Sicherheit der USA aufs Spiel setzen würde. Das Schweigen in der Öffentlichkeit bedeute aber nicht, dass Washington die Vorwürfe auf die leichte Schulter nehme.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: