CIA-Folterbericht:Amerikas dunkler Fleck

Anhörung über Recht von Guantanamo-Häftlingen auf Anfechtung ihrer Gefangenschaft

US-Wachmann in einem Zellenblock im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba.

(Foto: dpa)

Der schonungslose Bericht des US-Senats zu den Quälpraktiken der CIA sieht aus wie ein Akt der Selbstreinigung. Doch es gibt in den USA keinen Konsens gegen Folter. Und das von Präsident Obama verhängte Verbot ist per Federstrich wieder abzuschaffen.

Kommentar von Reymer Klüver, Washington

Dianne Feinstein ist eine couragierte Frau. Der langgedienten demokratischen Senatorin ist es zu verdanken, dass der US-Senat die Verhörmethoden der CIA nach den Anschlägen von 9/11 endlich untersucht und quasi amtlich bestätigt hat, was alle ahnten - dass im Namen Amerikas gefoltert wurde.

Der Report dokumentiert im Detail die Brutalität und Perfidie, mit der amerikanische Geheimdienstler mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer zum Reden bringen wollten. Er seziert die Behauptung, mit der diese Methoden gerechtfertigt wurden: dass so weitere Anschläge verhindert und Menschenleben gerettet wurden und man nur mit Hilfe der unter Folter erpressten Aussagen auf die Spur Osama bin Ladens gekommen sei.

Nichts davon stimmt. Schließlich ist in dem Papier festgehalten, dass die Geheimdienste gezielt gelogen haben, als die Methoden nach und nach bekannt wurden, dass sie versucht haben, die Öffentlichkeit mit Falschinformationen in die Irre zu führen, dass sie die Aufklärungsarbeit des Senats zu behindern suchten.

Noch kein Konsens gegen Folter

Die Demokratin Feinstein nennt all das "einen Schandfleck auf unseren Werten und unserer Geschichte". Die Republikaner dagegen verleugnen das Offenkundige. Sie sprechen von Ungenauigkeiten und Verdrehungen, rechtfertigen die Misshandlungen weiter im Namen des Vaterlandes. Nur einen prominenten Republikaner gibt es, der seiner Partei widerspricht: Senator John McCain, ein Konservativer durch und durch, der selbst einst in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft gefoltert wurde.

Es sind genau diese Reaktionen, die so bezeichnend sind für den Gemütszustand Amerikas. Sie offenbaren die Zerrissenheit einer Gesellschaft, die gewiss nie so einig war, wie es in Reden zum Feuerwerk am Unabhängigkeitstag den Anschein hat.

Den Amerikanern fällt es aber seit Jahren immer schwerer, sich auf die Werte zu verständigen, die einmal selbstverständlich waren für alle Amerikaner und für die das Land einstand: Rechtsstaatlichkeit und, wenn man so will, schlichten menschlichen Anstand. Also das Gegenteil dessen, was in den CIA-Gefängnissen geschehen ist.

Achselzuckende Nonchalance

Die Folter der Al-Qaida-Kämpfer gilt vielen Amerikanern schlicht nicht mehr als Sündenfall ihres Landes - eines Landes, das immerhin einst der Willkür der britischen Kolonialherren die Macht eines eigenen Rechtsstaates entgegengesetzt hatte. In Umfragen hält exakt die Hälfte der US-Bürger Folter für gerechtfertigt, etwa um Anschläge zu verhindern.

Diese achselzuckende Nonchalance spiegeln auch Serien und Filme wider wie "Homeland" und "Zero Dark Thirty", in denen nicht nur wie selbstverständlich die Geheimdienste wie Verbrecherkartelle handeln, sondern Folter stets funktioniert, also die Bösen zum Reden bringt.

Amerika ist schon oft auf Irrwege geraten. Aber immer wieder sind die Selbstheilungskräfte der ältesten existierenden Demokratie der Welt beschworen worden. Und mit Recht. Die Gesellschaft hat stets wieder herausgefunden aus ihren Verirrungen. Anfang des vergangenen Jahrhunderts drohte das Big Business das Land zu übernehmen. Ein entschlossener Präsident - Theodore Roosevelt - genügte, dem Kapitalismus Zügel anzulegen.

In den Sechzigerjahren zwang die Bürgerrechtsbewegung die Rassisten in die Knie. Ein Jahrzehnt später zog der Kongress Konsequenzen aus dem Machtmissbrauch, gerade auch der CIA, in der Nixon-Ära: Mord und Totschlag wurden den Geheimdiensten per Gesetz verboten.

Per Federstrich wäre das Folterverbot wieder abschaffbar

Die Aufarbeitung der CIA-Folterpraktiken steht in dieser Tradition. Aber es gibt einen gewichtigen Unterschied. Dieser Akt der Selbstreinigung wird eben nicht von einer Mehrheit, und sei es auch nur der schweigenden Mehrheit, der Amerikaner getragen - so wie in der Roosevelt-Zeit oder der Bürgerrechts-Ära. Eine Hälfte der Bevölkerung billigt oder treibt die Aufarbeitung voran. Die andere sieht darin keinen Sinn und schon gar nicht die Notwendigkeit.

Präsident Barack Obama hat der CIA die Folterpraktiken ausdrücklich verboten, schriftlich, per Dekret. Ein künftiger Präsident könnte, genauso mit einem Federstrich, dieses Verbot umstandslos wieder aufheben. Nur ein Gesetz, das den Geheimdiensten Folterpraktiken ausdrücklich untersagt, würde dauerhaft verhindern, dass sich Amerika wieder so verhält, wie es eines Rechtsstaats nicht würdig ist.

Doch dafür gibt es im Kongress - wie im ganzen Land - keine Mehrheit. Von Selbstheilung kann keine Rede sein. Amerika ist weit davon entfernt, nach den Exzessen der Bush-Ära wieder mit sich ins Reine zu kommen. Der dunkle Fleck, von dem Dianne Feinstein gesprochen hat, ist noch lange nicht beseitigt.

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