Chronologie der Kundus-Affäre:Kundus, Klein und Fragezeichen

Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung muss sich heute vor dem Untersuchungsausschuss verantworten. Die Kundus-Affäre in Bildern.

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Kundus-Affäre Untersuchungsausschuss Franz Josef Jung

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Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung soll am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages Licht in die Kundus-Affäre bringen. Ihn kostete der Bombenabwurf nahe Kundus das Amt, seinen Nachfolger Guttenberg den Nimbus des Publikumbarons und die deutsche Außenpolitik so einiges an Glaubwürdigkeit.

Ein chronologischer Rückblick auf die Kundus-Affäre.

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Kundus-Affäre Afghanistan AP

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4. September 2009: Der Angriff

Oberst Georg Klein gibt den Befehl, zwei von Taliban entführte Tanklastwagen zu bombardieren. US-Jets führen den Befehl aus. Schon direkt nach dem Angriff stellte sich die Frage, was an den Tanklastzügen so wichtig war, dass sie in die Luft gejagt werden mussten. Auch der Verdacht, dass Zivilisten Opfer des Bombardements wurden, kam sofort auf. Das deutsche Verteidigungsministerium hingegen ließ verlauten, dass keine Unbeteiligten ums Leben gekommen seien und spricht von etwa 50 Aufständischen.

Foto: die ausgebrannten Tanklastwagen nahe Kundus am 5. September 2009 (AP)

Kundus-Affäre dpa

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5. September - 7. September 2009

Über zivile Opfer gibt es wenige Tage nach dem Angriff unterschiedliche Angaben: Der Oberkommandierende der US- und Nato-Truppen in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, bestätigt nach einem Besuch des Tatorts zivile Verletzte. Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung hingegen erklärt, nach seinen Informationen seien bei dem Angriff ausschließlich terroristische Taliban getötet worden.

Foto: Nato-Soldaten inspizieren den Tatort einen Tag nach dem Bombardement (dpa)

Kundus-Affäre Oberst Klein AP

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8. September 2009: "Völlig richtige Entscheidung"

Nur wenige Tage später muss das Verteidigungsministerium die Zahl der Getöteten jedoch nach oben korrigieren und lässt erstmals anklingen, dass möglicherweise doch Zivilisten getroffen wurden. Minister Jung steht jedoch weiterhin hinter Oberst Klein: "Die Entscheidung war völlig richtig." Bundeskanzlerin Angela Merkel verspricht in einer Regierungserklärung "lückenlose Aufklärung" der Bombardements und verbittet sich internationale Kritik.

Foto: Oberst Georg Klein am 6. September in Kundus (AP)

Kundus-Affäre Afghanistan ddp

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10. - 17. September 2009: Der Nato-Bericht

Die Nato dementiert die Existenz eines vorläufigen Berichts der Afghanistan-Schutztruppe Isaf zu dem umstrittenen Luftangriff in Kundus. Verschiedene Medien zitieren den Bericht jedoch, unter anderem mit der Einschätzung, dass Oberst Klein mit dem Befehl des Angriffs seine Kompetenzen überschritten habe. Dem Bericht zufolge sollen etwa 100 Menschen ums Leben gekommen sein, 30 davon Zivilisten. Die anderen 70 Toten ordnet die Nato "feindlichen Kräften" zu.

Foto: afghanische Polizisten vor den ausgebrannten Tankwagen (ddp)

Kundus-Affäre Wolfgang Schneiderhan dpa

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29. Oktober 2009: Der Isaf-Bericht

Aus einem Isaf-Untersuchungsbericht schließt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, der verheerende Luftangriff sei militärisch angemessen gewesen. Oberst Klein habe die Lage richtig beurteilt und davon ausgehen können, dass keine Unbeteiligten durch den Luftschlag zu Schaden kommen würden. Die Süddeutsche Zeitung berichtet jedoch unter Berufung auf denselben Bericht, Klein habe gegen Einsatzregeln verstoßen.

Foto: dpa; Generalinspekteur Schneiderhan bei einer Pressekonferenz

Kundus-Affäre Karl-Theodor zu Guttenberg AP

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6. November 2009: "Militärisch angemessen"

Die Bundesanwaltschaft soll die strafrechtlichen Konsequenzen des Luftangriffs prüfen, da in Afghanistan ein bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuchs vorliegen könnte.

Der neue Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg bewertet den Angriff jedoch wie sein Vorgänger: Der Luftschlag sei "militärisch angemessen" gewesen, erklärt Guttenberg am 6. November 2009. Es habe aber Verfahrensfehler durch Ausbildungsmängel und verwirrende Einsatzregeln gegeben.

Foto: Guttenberg bei seiner Stellungnahme am 6. November 2009 (AP)

Kundus-Affäre Wolfgang Schneiderhan Peter Wichert, dpa AP

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26. November: Informationspannen im Verteidigungsministerium

Die Bild-Zeitung meldet, Jung habe bereits viel früher über mögliche zivile Opfer informiert sein müssen als bislang bekannt. Dieser räumt zwar ein, dass er einen Feldjägerbericht für die Nato freigegeben, dessen brisanten Inhalt aber nicht gelesen habe. Insgesamt rechtfertigt er jedoch sein Verhalten.

Guttenberg entbindet Generalinspekteur Schneiderhan von seinem Amt und beurlaubt Staatssekretär Peter Wichert. Als Gründe gibt der CSU-Politiker die Zurückhaltung von Informationen über das Bombardement an. Die Luftangriffe wolle er neu beurteilen, kündigt er an. Die Opposition verlangt eine parlamentarische Untersuchung der Umstände des Luftangriffs. Auch Kanzlerin Merkel fordert volle Transparenz über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.

Foto: dpa/AP; Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert

Kundus-Affäre Franz-Josef Jung AP

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27. November 2009: Jung tritt zurück

Als Konsequenz aus den Informationspannen tritt Ex-Verteidigungsminister Jung als Arbeitsminister zurück. Fehler räumt er jedoch nicht ein. Guttenberg erklärt, dass die Pannen noch größer als bisher bekannt sind. Ihm seien Einschätzungen zum Luftangriff vorenthalten worden. Er sichert den Abgeordneten größtmögliche Transparenz zu. Wenn ihm alle Unterlagen vorlägen, werde er den Luftangriff neu bewerten.

Foto: Arbeitsminister Franz Josef Jung nach seiner Rücktrittserklärung (AP)

Kundus-Affäre Karl-Theodor zu Guttenberg dpa

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30. November - 3. Dezember 2009: Guttenbergs Sinneswandel

Verteidigungsminister Guttenberg räumt Fehler vor und nach dem Bombardement der entführten Tanklaster ein und bezeichnet den Militärschlag nun als "nicht angemessen". Gleichzeitig nimmt er den verantwortlichen Oberst Klein in Schutz. Dieser Sinneswandel wirft die Frage auf, über welche Informationen der Verteidigungsminister nun verfügt, die er vorher nicht gehabt hat. Koalition und Opposition beschließen daher, den Verteidigungsausschuss in einen Untersuchungsausschuss umzuwandeln.

Foto: Guttenberg verteidigt sich 3. Dezember 2009 im Bundestag (dpa)

Kundus-Affäre Angela Merkel, AP

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4. Dezember 2009: Merkels Sinneswandel

Auch Merkel hält die Bombardierung der Tanklaster nun nicht mehr für militärisch angemessen. Bei ihrer Regierungserklärung vom 8. September 2009 habe sie noch nichts über zivile Opfer gewusst, sagt sie. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass zumindest dem Verteidigungsministerium zu diesem Zeitpunkt schon Berichte über getötete Zivilisten vorlagen.

Foto: AP; Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung vom 8. September

Kundus-Affäre Afghanistan, AP

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6. Dezember 2009: Diskussion über Entschädigungen

Angehörige der Opfer drohen mit einer Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Einen Tag später gibt die Bundesregierung bekannt, die zivilen Opfer des Luftangriffs schnell entschädigen zu wollen.

Foto: Afghanen beerdigen die Opfer des Luftangriffs (AP)

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9. - 11. Dezember 2009: Bericht des Roten Kreuzes

Blitzbesuch von Guttenberg bei den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan: Der CSU-Politiker erklärt den Bundeswehrsoldaten seine Fehleinschätzung.

Inhalte eines Berichtes des Internationalen Roten Kreuzes werden öffentlich, demzufolge der Angriff zahlreiche zivile Opfer gefordert hat. Das Rote Kreuz stuft das Bombardement als "völkerrechtswidrig" ein. Schlecht für Guttenberg: Ihm lag dieser Bericht angeblich schon am 6. November vor, als er den Militärschlag noch "angemessen" fand.

Foto: Guttenberg spricht mit deutschen Soldaten im Feldlager Kundus über den Luftschlag vom 4. September (dpa)

Kundus-Affäre Afghanistan AP

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12. Dezember 2009: Taliban als Ziel

Mehreren Medienberichten zufolge sollen nicht vorrangig die beiden gekaperten Tanklaster, sondern eine Gruppe von Taliban Ziel des Angriffs gewesen sein. Befehlshaber Oberst Klein betonte angeblich in einem Bericht selbst seine Entschlossenheit, Aufständische zu "vernichten". Das ist brisant, weil gezielte Tötung von Aufständischen nicht mit dem Mandat vereinbar ist. Der Bericht sei dem Verteidigungsministerium bereits einen Tag nach dem Angriff bekannt gewesen.

Foto: AP

Kundus-Affäre Untersuchungsausschuss Bundestag AP

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16. Dezember 2009: Untersuchungsausschuss

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Kundus-Affäre konstituiert sich. Der Ausschuss will die Vorfälle mindestens ein Jahr lang aufklären. Im Januar sollen unter anderen Merkel und Guttenberg als Zeugen geladen werden.

Foto: AP; der Verteidigungsausschuss bei seiner konstituierenden Sitzung, im Vordergrund die Vorsitzende Susanne Kastner (SPD)

Kundus-Affäre Karl Theodor zu Guttenberg Verteidigungsminister, ddp

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21. Januar 2010: Erste Sitzung des Untersuchungsausschusses

Vor der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Kundus-Affäre gerät Guttenberg immer stärker unter Druck: Ein neuer Bericht über das Bombardement wird öffentlich, der belegt, dass dem Verteidigigungsminister die Fehler von Oberst Klein schon bekannt waren, als er dessen Verhalten noch als "militärisch angemessen" bezeichnete. Wie er darauf kam, wird er dem Ausschuss erklären müssen.

Foto: ddp

Text: sueddeutsche.de/bavo/woja

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