Christian Wulff in Israel:Balanceakt in Bethlehem

"Frieden ist möglich": Es ist die bislang schwierigste Reise von Bundespräsident Christian Wulff. Im Nahen Osten geht er auf Israelis und Palästinenser gleichermaßen zu.

Daniel Brössler, Bethlehem

Durch diese hohle Gasse muss er kommen. Die drei Alten müssen nur warten. Eben noch ist der Präsident aus Berlin durch die Markthalle von Bethlehem gelaufen, hat dort etwas über "den kleinen Beitrag Deutschlands" in Kameras gesprochen, nun will er zurück zum Auto. Dazu aber muss er vorbei an den drei Alten, deren Köpfe in Kufiyas gehüllt sind. Einer der Männer richtet das Wort an den Bundespräsidenten, heißt ihn willkommen. "Wir wollen", übersetzt der Dolmetscher, "dass die Missstände der Besatzung ein Ende haben und wir in Freiheit leben können." Der Gast aus Deutschland hört zu. Er blickt höflich, aber irgendwie auch neutral. Die drei Männer locken ihn, so viel ist sicher, nicht aus der Reserve.

Bundespräsident Wulff in Bethlehem

Bundespräsident Wulff ließ sich von kritischen palästinensischen Fragen nicht aus der Reserve locken.

(Foto: dpa)

Am Morgen ist Christian Wulff aus Jerusalem gekommen, hat am Grenzübergang Rachels Grab und die hohe Mauer gesehen. Er hat den Wagen gewechselt und in gewisser Weise auch die Seite. In Israel hat er viel über die deutsche Verantwortung für das Existenzrecht Israels gesprochen, hier nun muss er sich auf andere Fragen einstellen. Der Bundespräsident unternimmt nicht seine erste, aber seine bisher schwierigste Auslandsreise. Er muss balancieren auf der Nahtstelle eines Konflikts, den die Mächtigen der Welt nicht lösen können. In Jerusalem hat er vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Eltern des vor vier Jahren von der Hamas entführten Soldaten Gilad Schalit in ihrem Protestzelt besucht. Zu der Geste hatte ihm der Schriftsteller David Grossmann beim Frühstück geraten. "Es ist ein Gebot der Humanität bei Präsenz in Jerusalem Solidarität mit den Eltern zu zeigen", sagt Wulff vor dem Zelt. Es ist eben nicht leicht, etwas sagen zu müssen, ohne viel sagen zu können.

Wulff will, wenn es geht, auf seine Umgebung wirken durch bloße Anwesenheit. Mitunter aber steigt in ihm der Wunsch auf, die Umgebung wirken zu lassen, und zwar auf sich. In der Grotte der Geburtskirche zu Bethlehem erlebt er so einen Augenblick. Die Führer zeigen ihm den Silberstern unter dem Geburtsaltar, auf dem Jesus geboren sein soll. Es sei Brauch, dass die Gläubigen den Stern küssten. Um Wulff und seine mitreisende Tochter Annalena drängelt sich in der engen Grotte die Delegation. "Werden wir einen Moment der Ruhe haben oder wird es so unruhig bleiben? Ich weiß ja nicht, wie es geplant ist", fragt der Bundespräsident. Es dauert nach diesem stillen Ausbruch ein Weilchen, bis der Ort geräumt ist. Danach verharrt Wulff allein mit seiner Tochter an der Stätte von Jesu Geburt.

Es sind diese Momente, in denen der Präsidentenbesuch im Heiligen Land zur Pilgerreise gerät, was Wulff am liebsten zu sein scheint. In der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio nimmt er an einer "ökumenischen Adventsmusik" teil. "Schenke, o Gott, deiner heiligen Stadt Jerusalem und der ganzen Welt deinen Frieden", wird gebetet. Die deutschen Christen sind hier unter sich, und der Katholik Wulff wirkt sehr zu Hause, als er am Ende den "Schwestern und Brüdern" dankt.

Tourismus als Friedensstifter

Überhaupt sieht es aus, als suche Wulff im fernen Krisengebiet Schutz und Trost im Vertrauten. Er empfängt Israelis, die aus Deutschland stammen, zum Abendessen. Er besichtigt ein Solarwerk der Firma Siemens und freut sich erkennbar, dass die palästinensische Tourismusministerin Khouloud Daibes, die ihn in formvollendetem Deutsch durch Bethlehem führt, in Hannover studiert hat. Diese Frau möge man interviewen, bittet Wulf die Journalisten. "Es ist immer noch ein Reiseziel unter Besatzung", erläutert die Ministerin, "wir glauben aber, dass der Tourismus ein Instrument ist, Frieden zu schaffen."

Wulff sucht in Bethlehem nach Vorboten dieses Friedens, in einer evangelisch-lutherischen Schule etwa, wo ein Kinderchor singt: "Die Gedanken sind frei." Später, im Präsidentensitz von Bethlehem, verordnet sich Wulff bedingungslosen Optimismus. "Jetzt ist die Gelegenheit, für einen Erfolg der Friedensverhandlungen", sagt er und hebt die Stimme zu einem für seine Verhältnisse leidenschaftlichen Appell. "Bei mir ist die Überzeugung nachhaltig gewachsen: Der Frieden ist möglich. Bei gutem Willen aller Beteiligten: Der Frieden ist möglich." Juden, Christen und Muslime dürften ihre Religionen nicht von jenen missbrauchen lassen, "die anderes im Schilde führen".

Zum Frieden gebe es keine Alternative, sagt auch der palästinensische Präsident Machmud Abbas. Er hoffe, dass neue Hindernisse ausblieben. Das klingt schon nicht mehr so optimistisch. Schließlich will ein palästinensischer Journalist von Wulff wissen, wie er sich die Zukunft Jerusalems vorstellt und die der jüdischen Siedlungen. "Sie werden verstehen, dass Deutschland zu allen Gegenständen der Verhandlungen während der Verhandlungen nichts sagen will", sagt Wulff. Deren "ohnehin große Komplexität" wolle er nicht "beschweren". Der Fragesteller hat ihn nicht aus der Reserve gelockt, so viel ist sicher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: