Christian Seifert:Regierungschef des deutschen Fußballs

German League Association Extraordinary General Assembly - Press Conference

Christian Seifert ist zu schlau, um sich zu viel Eitelkeit zu erlauben.

(Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Kaum einer kennt ihn, dabei ist DFL-Boss Christian Seifert einer der Mächtigsten im deutschen Fußball. Besonders wenn er einen neuen TV-Vertrag aushandelt, lässt sich sein Scharfsinn bestaunen.

Von Philipp Selldorf

Christian Seifert muss keine Autogrammkarten einstecken, bevor er auf die Straße geht. Weder braucht er zu befürchten, dass ihn jemand darum bittet, noch gibt es überhaupt Anlass anzunehmen, dass ihn jemand erkennen könnte. Mehr als zehn Jahre trägt er nun gewissermaßen die Regierungsverantwortung in der Deutschen Fußball Liga (DFL), doch im Vergleich zu den anderen Spitzenkräften des Fußballgeschäfts ist er öffentlich unbekannt geblieben.

Andere könnten sich in dieser Situation in ihrer Eitelkeit herausgefordert sehen. Seifert ist aber viel zu schlau, um der Eitelkeit zu erlauben, Einfluss auf sein Denken, Meinen und Handeln zu nehmen.

Seifert war auch schon beim Musiksender MTV

Bevorzugt vertritt Seifert die Interessen der Liga aus dem Hintergrund. Alle paar Jahre, wenn er - wie in diesen Tagen - einen neuen, noch bombastischeren Fernsehvertrag für die Profivereine aushandelt, erhält das Publikum Gelegenheit, über seine präzise Auffassungsgabe, seinen Scharfsinn und seine umfassende Kenntnis der komplexen Materie zu staunen. Danach kehrt er wieder in sein Frankfurter Büro zurück, um ungestört die täglichen Geschäfte zu erledigen. "Nach der Rechtevergabe ist vor der Rechtevergabe", hat er unlängst in Abwandlung des bekannten Sepp-Herberger-Zitats gesagt.

Im Alter von 36 Jahren trat Seifert 2005 in die Führung der damals noch jungen DFL ein. Zuvor hatte er beim Musiksender MTV und in der Mediatochter der KarstadtQuelle AG leitende Positionen besetzt. Viele wunderten sich, dass die Bundesliga anstelle eines arrivierten Branchenmanagers einen jungen Mann aus der Wirtschaft an die Spitze ihrer operativen Tochter setzte, und die meisten erwarteten wohl, dass Seifert den Posten als Karriereschritt betrachten würde. Doch er fand rasch Gefallen an der Aufgabe.

Seine fußballerische Prägung beschränkt sich auf die Erfahrungen in den Jugendmannschaften des FV Ottersdorf und des FC Rastatt 04. Aber dass er den Fußball in allen Facetten verstanden hat, als Geschäft, als gesellschaftliche Institution und als manchmal irrational strukturiertes Volkstheater, daran hat er in all den Jahren keinen Zweifel gelassen. Den Respekt der Vereinsleute, die alten Fußballhelden inbegriffen, musste er sich nicht durch Gefälligkeiten verdienen. Inzwischen lässt sich Seiferts Einfluss in der Szene kaum überschätzen.

Im Fernsehen tritt der Ligamanager selten auf, Interviewtermine dosiert er sparsam und gezielt. Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen Technokraten halten - sein Abitur hat Seifert an einem technischen Gymnasium im badischen Rastatt gemacht, mit den Leistungsfächern Technik und Physik. Aber es wäre ein schlimmer Irrtum, ihn auf den Funktionär und Zahlenmenschen zu reduzieren, der er von Amts wegen auch sein muss. Seifert ist, nicht nur, weil er nach dem Abitur Soziologie studiert hat, fasziniert vom Massenphänomen Fußball. Auch im elften Dienstjahr.

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