"Choi-Gate":Im Bann der Schamanin

Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye verschanzt sich in ihrem Amtssitz, das Volk fordert ihren Sturz. Eine korrupte Schamanin soll Park wie eine Marionette gesteuert haben.

Von Christoph Neidhart

Für Park Geun-hye wird das "Blaue Haus" immer mehr zum Gefängnis. Südkoreas Präsidentin war seit jeher einsam, voriges Jahr hat die 64-Jährige selbst ihren Sommerurlaub allein in ihrem Amtssitz verbracht. Nun wagt sie sich angesichts der immer größeren Demonstrationen kaum mehr hinaus. Allein in Seoul forderten am Samstag eine Million Menschen ihren Rücktritt, nach Umfragen halten nur noch fünf Prozent der Bevölkerung zu ihr. An diesem Dienstag wollen Staatsanwälte sie befragen.

"Choi-gate", der Skandal um eine korrupte Schamanin, die Park wie eine Marionette gesteuert haben soll (die Präsidentin bestreitet dies), lähmt den Staatsapparat. Die Medizinfrau selbst sitzt in Untersuchungshaft. Obwohl sie keine offizielle Funktion hatte, wird ihr Machtmissbrauch vorgeworfen. Dazu Korruption und Unterschlagung. Einige von Parks engsten Mitarbeitern sind als Komplizen verhaftet worden, Park hatte die Verbindung zu Choi lange sorgsam verschwiegen.

File picture of South Korean President Park delivering a speech in Seoul

Präsidentin unter verschärfter Beobachtung der Südkoreaner: Park Geun-hye

(Foto: REUTERS)

Die Staatsanwälte werden Park nicht verhören, sondern als Zeugin vernehmen. Die Verfassung gewährt der Präsidentin Immunität vor Strafverfolgung. Park selbst hat sich bereit erklärt auszusagen. Sie versucht alles, um wenigstens formal im Amt bleiben zu können, sie ist sogar bereit, Macht abzugeben. Viele Koreaner haben ihr Urteil freilich längst gefällt. Sie beschuldigen Park, das Land an die obskure Schamanin verdingt zu haben. Und verstehen die Befragung als nächsten Schritt zum Sturz der Präsidentin.

Die Polizei hat vorige Woche selbst Einzeldemonstranten vertrieben, die vor dem Blauen Haus Protestplakate hochhielten. Ihr Anblick verletze "die Gefühle der Präsidentin", so die Begründung. Mit Parks Gefühlen, oder eher Traumata, wird auch erklärt, warum die Präsidentin ihrer Vertrauten aus Jugendtagen so ergeben war. Park ist als Tochter des damaligen Militärdiktators isoliert vom realen Leben im Blauen Haus aufgewachsen, sie hat beide Eltern durch politische Morde verloren. Das habe sie, so Südkoreas Medien, nie verarbeitet. Zu einem normalen Vertrauensverhältnis sei sie deshalb nicht fähig, sondern habe sich isoliert und sich dafür Choi an den Hals geworfen - was diese schamlos ausgenutzt habe.

Nach der Ermordung ihres Vaters im Jahr 1979 zog Park sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück, bis sie 1998 in die Politik einstieg und klarmachte, dass sie ins Blaue Haus zurückkehren wollte: als Präsidentin. Wie eine Sphinx, ohne viel zu sagen, führte sie ihre Partei, die die Diktatur beerbt hatte, zu Wahlsiegen. Bis sie nicht mehr aufzuhalten war, obwohl selbst in ihrer eigenen Partei viele ihre Fähigkeiten bezweifelten. Aber als die Tochter ihres Vaters symbolisierte sie für die Älteren die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Doch kaum im Amt, begann Park das Glück zu verlassen. Sie stolperte von Skandal zu Skandal; Choi-gate könnte davon der letzte sein.

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