Chinesischer Künstler im Interview:Staatsfeind Ai Weiwei wünscht sich Treffen mit Staatschef Xi Jinping

Ai Weiwei

Künstler, Rebell, Staatsfeind: Ai Weiwei.

(Foto: REUTERS)

"Wir sind beide Produkte dieses Systems": Ai Weiwei spricht im SZ-Interview über den chinesischen Präsidenten. Der Künstler und Regierungskritiker, dem die Ausreise verboten ist, will sich gerne einmal mit Xi Jinping unterhalten - "um zu verstehen, was mit mir los ist".

Von Kai Strittmatter, Peking

Ai Weiwei, Chinas bekanntester Künstler und Rebell, verriet der Süddeutschen Zeitung im Interview einen besonderen Wunsch: Er würde gerne einmal Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping treffen. "Wir sind gleich alt, wir haben den gleichen Hintergrund", sagte der 56-Jährige in einem Gespräch in Peking. "Wir wurden beide groß in der Kulturrevolution. Wir sind beide Produkte dieses Systems. Tatsächlich waren mein Vater und sein Vater gute Freunde." Ai Weiweis Vater war der bekannte Dichter Ai Qing, er gehörte zur Gründergeneration der Kommunistischen Partei Chinas, wie auch Xi Jinpings Vater Xi Zhongxun, der zeitweise Vizepremier Chinas war - beide wurden unter Mao Zedong auch verfolgt.

"Ich würde mich gerne einmal privat mit Xi Jinping unterhalten", sagt Ai Weiwei, der heute einer der schärfsten Kritiker der KP ist, "um zu verstehen, was mit mir los ist."

Es wäre ein schöner Zufall: Parteichef Xi wird Ende März bei einem Staatsbesuch Berlin besuchen. Ai Weiwei wird nur wenige Tage später, am 3. April, die Eröffnung seiner Schau "Evidence" im Berliner Martin-Gropius-Bau feiern - es ist die größte Einzelausstellung, die der Künstler je bestückt hat, sie erstreckt sich über 18 Räume des Hauses. Und dennoch werden sich die Wege der beiden nicht kreuzen: Ai Weiwei darf nicht nach Berlin, er darf China nicht verlassen.

Chinas Sicherheitsbehörden verschleppten Ai 2011 und steckten ihn für 81 Tage ins Gefängnis - seither verweigern sie ihm ohne Angabe von Gründen die Rückgabe seines Reisepasses. "Einen Pass zu haben, heißt die Wahl zu haben", sagt Ai Weiwei "Zu reisen oder nicht zu reisen. Ich habe diese Freiheit zu wählen verloren."

Ai Weiwei hat eine besondere Beziehung zu Berlin. Er hat sich in der Stadt sogar ein Studio eingerichtet. "Vielleicht wird das Studio ewig leer stehen", sagte er. "Aber das ist auch eine gute Metapher."

Ai Weiwei sieht in China nach sechs Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft eine "kaputte Gesellschaft ohne Moral und ohne Vertrauen, in der keiner mehr die Verantwortung für irgendetwas übernimmt". Das von außen betrachtet boomende Land stecke in Wirklichkeit in einer tiefen Krise, auch innerhalb der Partei sei der Glaube längst abhanden gekommen: "Die Beamten selbst schicken ihre Kinder und ihr Geld ins Ausland. Viele glauben nicht mehr daran, dass dieses Boot noch weit fährt." Es sei "unausweichlich", meint Ai Weiwei, dass die Herrschaft KP eines Tages der Demokratie weiche: "Das ist kein politischer Spaß von mir. Es geht vielmehr um ein System, das die Fragen des Überlebens und der Entwicklung am effektivsten organisiert."

Parteichef Xi Jinping war im vergangenen Jahr angetreten mit dem Slogan vom "Chinesischen Traum", von der "Wiedergeburt der großen chinesischen Nation". Hat er, Ai Weiwei, auch einen chinesischen Traum? "Meiner wäre: Jeder Chinese sollte seinen eigenen Traum haben. Das wäre eine normale Gesellschaft. Ich mag es nicht, wenn alle den gleichen Traum träumen sollen. Und wenn dieser eine Traum der Traum der Autokraten ist, dann kann das nur ein Alptraum sein."

Das vollständige Interview mit Ai Weiwei lesen Sie in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung und in der SZ-Digital-App auf iPhone, iPad, Android und Windows 8.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: